Ulla Schmidt spricht von "Betrug"

Ulla Schmidt spricht von "Betrug"
Die Auseinandersetzung über bestechliche Ärzte wird schärfer. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nannte es "Betrug", Patienten gegen Geld in bestimmte Kliniken einzuweisen. "Das Berufsrecht verbietet eindeutig, dass Geld oder anderweitige Vorteile für Einweisungen in Krankenhäuser gewährt werden", sagte Schmidt der "Frankfurter Rundschau". Der NAV-Virchow-Bund sprach von einer "Verleumdungskampagne von noch nie dagewesenem Ausmaß". Er kenne bisher nur Vorwürfe und noch keine einzige Anzeige, sagte der Verbandschef der in die Kritik geratenen niedergelassenen Ärzte, Klaus Bittmann.

Schmidt zufolge haben Ärztekammern, berufsständische Gerichte und Staatsanwaltschaften nun "Umfang und Verbreitung dieser Machenschaften zu ermitteln und gegebenenfalls zu verfolgen". Ihr seien solche Fälle bislang nicht bekannt gewesen.

Die Ministerin verteidigte die Kooperation zwischen niedergelassenen Ärzten und Kliniken. Diese Zusammenarbeit sei ausdrücklich erwünscht und ganz im Sinne der Versorgung von Patienten. "Man muss das ganz klar von rechtswidrigen Praktiken trennen", sagte Schmidt. Es müsse klare Verträge geben und durchschaubar sein, "wer welche Leistungen erbringt und wohin die Patienten eingewiesen werden".

Bittmann kritisierte, die Debatte bewege sich ausschließlich auf Grundlage von Verdächtigungen und Halbwahrheiten. Derzeit würden alle niedergelassenen Ärzte, besonders von den Krankenkassen, unter Generalverdacht gestellt. Das Straf- und Berufsrecht biete alle Möglichkeiten, gegen korrupte Ärzte vorzugehen: "Man darf doch nicht so tun, als seien wir in einer Bananenrepublik und hätten keine Mittel, Unrecht zu begegnen", so Bittmann.

Rudolf Henke, Vorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, sagte, "es darf in den Vertragsbeziehungen zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern keinen Platz für Bestechung geben". Patienten müssten darauf vertrauen können, dass bei allen Entscheidungen des Arztes seine innere Unabhängigkeit gewahrt bleibe. Nur für Leistungen, die der Arzt tatsächlich für die Klinik erbracht hat, dürfe es eine Vergütung geben, forderte Henke. Wo die Ärztekammern von fragwürdigen Machenschaften erführen, müssten diese "mit allem Nachdruck unterbunden werden".

Die Bundesärztekammer warf den Krankenhausträgern unterdessen vor, die Debatte über Bestechlichkeit nur aus finanziellen Gründen angestoßen zu haben. Den Krankenhäusern gehe es allein darum, "mit dem Bestechungsvorwurf ihre Honorare an die niedergelassenen Ärzte zu drücken", sagte der Vizepräsident der Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Er forderte die Kliniken auf, "Ross und Reiter zu nennen", wenn sie von Bestechung erführen. Eine Gesetzesänderung lehnte der Ärztefunktionär ab.

Die Antikorruptions-Organisation Transparency International warf den Kassenärztlichen Vereinigungen Versagen vor. "Wir wissen seit Jahren, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht nicht nachkommen", sagte Anke Martiny, Vorstandsmitglied von Transparancy International, dem Berliner "Tagesspiegel" (Freitagsausgabe). Martiny forderte, den Bestechungsparagrafen 299 im Strafgesetzbuch auf niedergelassene Mediziner auszuweiten. Die Anfälligkeit für Bestechung sei gewachsen, seit das Gesundheitssystem "eben nicht mehr alles hergibt, was die Ärzte fordern".

Eugen Brysch von der Deutschen Hospiz Stiftung warnte vor einer "Selbstbedienungs-Mentalität" von Ärzten und Krankenhäusern bei Klinikeinweisungen. Bei der Überweisung von Patienten an Krankenhäuser sei mit 30 Prozent Betrugsfällen zu rechnen, sagte der geschäftsführende Vorstand der Dortmunder Stiftung dem NDR Info-Radio. Die Vorgänge würden durch Zusatzvereinbarungen zwischen Ärzten und Krankenhäusern möglich. Dabei könne es sich pro Patient um eine Summe zwischen 80 und 1.000 Euro handeln.

Der GKV-Spitzenverband bezeichnete den Streit zwischen Kliniken und Ärzten über angebliche Prämienzahlungen "als ernstes Problem". Den Kassen lägen jedoch keine konkreten Erkenntnisse vor, sagte Sprecher Florian Lanz am Donnerstag dem MDR. Es gebe Verträge zwischen Ärzten und Krankenhäusern, auf die sein Verband keinen Einfluss habe. Er bezeichnete Zahlen der Ärzteverbände als realistisch, dass etwa 20 Prozent der Verträge Prämienzahlungen für eingewiesene Patienten begünstigen könnten.