Michael Jackson ist tot - oder nicht?

Michael Jackson ist tot - oder nicht?
Michael Jacksons Leibarzt muss sich wegen "fahrlässiger Tötung" verantworten. Im Internet hält sich derweil die These, der "King of Pop" sei quicklebendig. Egal ob Elvis Presley, James Dean oder Marilyn Monroe: Stirbt ein Star einen frühen Tod, suchen Fans Halt in Verschwörungstheorien.
17.06.2009
Henrik Schmitz

Es ist kein guter Tag für Conrad Murray. Der ehemalige Leibarzt von Michael Jackson wird heute um 22.30 mitteleuropäischer Zeit vor einem Gericht in Los Angeles erscheinen müssen. Ihm wird vorgeworfen, den Popstar Jackson fahrlässig getötet zu haben. Murray hat bereits eingeräumt, Jackson am Tag seines Todes das Beruhigungsmittel Propofol verabreicht zu haben. Daran starb Jackson laut Obduktionsbericht.

Eigentlich dürfte Murray gar nicht vor Gericht gestellt werden. Jedenfalls dann nicht, wenn es nach der Meinung einiger Fans geht, die davon überzeugt sind, dass ihr Idol noch lebt. Im Internet erfreut sich die "Michael-Jackson-Verschwörung" weiterhin großer Beliebtheit. Bereits wenige Stunden nach dem Ableben des "King of Pop" waren erste Internetseiten online, in denen der Tod Jacksons bezweifelt wurde. Bis heute. Auf der Seite http://www.michaeljacksonsightings.com berichtet beispielsweise ein gewisser Albeiro, er habe Jackson in einem Supermarkt in Mexiko gesehen, wo der Postar sich mit einer Portion Obst eingedeckt habe. Ebenfalls gesichtet wurde Jackson demnach in einer Postfilliale in Blackpool (Großbritannien), wo er versuchte einen Brief in die USA zu schicken. Und sogar in Deutschland soll Jackson unterwegs gewesen sein. Im July beobachtete eine Frau Jackson angeblich im Phantasialand auf dem Weg zur Achterbahn "Schwarze Mamba". Im Oktober will ein Unbekannter einen Tag mit Jackson in einem Wald-Häuschen bei Köln verbracht haben.

Raus aus den Schulden!

Jackson habe seinen Tod nur vorgespielt, um der Dauerbelagerung durch die Medien und seinen horrenden Schulden zu entkommen, lautet der Grundtenor der meisten Verschwörungstheorien. Belegt wird die Jackson-lebt-These durch angebliche Bilder des Popstars, die nach dessen Tod entstanden sein sollen. Sogar auf seiner eigenen Trauerfeier war Jackson, getarnt als älterer Mann mit Hut, angeblich unterwegs.

Als entscheidender "Beweis" dient auch ein Ausschnitt eines TV-Berichts, der den Abtransport der in einen Leinensack gehüllten Leiche Jackons durch einen Hubschrauber zeigt. Deutlich zu sehen sei darauf, dass sich der Leichnam nach Abheben des Hubschraubers auf der Bahre aufrichte, Jackson also lebe, argumentieren die Verschwörungstheoretiker. 

Im Internet kursieren unzählige weitere Bilder, die angeblich den lebenden Michael Jackson zeigen und ebenso viele angebliche Beweise, dafür, dass der Popstar quicklebendig ist. Warum aber halten sich diese Theorien so hartnäckig? Der Philosoph Karl Popper hält dafür eine einfache Antwort bereit: Die Menschen hätten Gott "abgeschafft" und bräuchten nun etwas, das an seine Stelle trete, schrieb er in seinem Buch "Vermutungen und Widerlegungen". Wenn ein Start stirbt, suchen Menschen Halt und finden ihn nicht nur in der Religion, sondern eben auch in Verschwörungstheorien. Ob Elvis, James Dean, Marylin Monroe, John F. Kennedy oder und Lady Diana. Zu beinahe jedem Star, der früh stirbt, gibt es auch eine Verschwörungstheorie. Das Unerklärliche wird durch die Verschwörungstheorie umgedeutet, vereinfacht und mitunter in einen großen Kontext gebracht. Nun auch bei Michael Jackson.

Der Vorteil der Vereinfachung

Der Vorteil der Verschwörungstheorie ist, dass sie Ereignisse auf eine simple Weise erklärt. Der Mensch hat den Wunsch, eine klare und eindeutige Antwort auf eine gegebene Situation zu bekommen. Er braucht eine Struktur, die es ihm ermöglicht, eine Situation einzuschätzen. Die Verschwörungstheorie liefert diese Struktur. Sie beantwortet die Frage nach dem "Warum", die den Trauernden umtreibt, die Religion aber nicht so leicht beantworten kann. Dass der Tod eines geliebten Stars Gottes Plan sein soll, ist für einen Menschen schwer nachzuvollziehen. Da macht es schon mehr Sinn, das dunkle Mächte wie ein Geheimdienst einen Star aus dem Weg räumen, weil dieser unbequem geworden ist, oder dass ein Star seinen Tod vortäuscht, einfach um seine Ruhe vor Fans und Medien zu haben.

Die Verschwörungstheorie erweist sich so als Meister der Vereinfachung. Jedes lose Ende einer Geschichte wird mit dem Vorhandensein einer Verschwörung erklärt. Gegenbeweise der Theorie werden in der Regel als Fälschungen derer deklariert, die hinter der Verschwörung stecken. Und der Urheber der Verschwörung ist stets der, dem sie nützt. Nur so ist zu erklären, dass es sogar Theorien gab, nach denen der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad Jackson habe ermorden lassen. Schließlich käme es dem Präsidenten sehr gelegen, dass die Medien nun eher Jackson als die Unruhen im Iran im Focus hätten, argumentieren die Verschwörungstheoretiker im Juni vergangenen Jahres, als die Oppositionellen im Iran auf die Straße gingen.

Der Unterschied zu Elvis

Im Vergleich zu den Theorien über den Tod anderer Stars, ist die Jackson-Verschwörung dennoch eher ein Randphänomen. Denn sein Tod unterscheidet sich letztlich deutlich von dem eines Elvis Presleys, einer Lady Diana und Marylin Monroe. Jackson war in der öffentlichen Wahrnehmung bereits vor seinem Tod ein kranker Mann. Bei seinen letzten Auftritten wirkte er oft gebrechlich und abwesend, was bereits in den Medien zu Spekulationen über einen Medikamentenmissbrauch geführt hatte. Ein Tod des 50-Jährigen als Folge der Einnahme eines Medikamentes ist für die Mehrzahl der Menschen daher kaum unerklärlich, sondern vielmehr logische Folge. Wenn der Mensch sich aber eine Sache erklären kann, sucht er auch nicht nach Ersatzerklärungen wie Verschwörungstheorien.

Der mit erst 42 Jahren jünger als Jackson verstorbene Elvis Presley zeigte zwar aus heutiger Sicht ebenfalls vor seinem Tod bereits Verfallserscheinungen, in der öffentlichen Wahrnehmung von damals waren diese aber weniger präsent. Elvis erschien nicht gebrechlich, sondern eher etwas "zu gut ernährt". Kurz vor seinem Tod absolvierte er einen umjubelten und gelungenen Liveauftritt.

Keine Chance für Murray

Der Tod des "King" kam daher insgesamt überraschender, ebenso wie bei der mit nur 36 Jahren verstorbenen Marilyn Monroe und dem nur 24 Jahre alt gewordenen James Dean, der noch dazu bei einem Autounfall, also auf unnatürliche Art, ums Leben kam. Auch dass Lady Diana eines unnatürlichen Todes starb und ihr Tod der Königsfamilie scheinbar gelegen kam, hat das Aufleben von Verschwörungstheorien deutlich begünstigt.

Es ist kaum zu erwarten, dass Murray sich also vor Gericht darauf berufen wird, er könne Jackson nicht fahrlässig getötet haben, weil dieser schließlich noch lebe. Dass Verschwörungstheorien vor Gericht durchaus Aussicht auf Erfolg haben können, zeigt allerdings der Fall O.J. Sipmson. 1995 stand der ehemalige Baseballstar wegen Mordes an seiner Ex-Ehefrau und deren Gelliebten vor Gericht. Obwohl die Beweislast erdrückend war wurde Simpson freigesprochen. Seinen Anwälten war es gelungen, die Geschworenen von einer Verschwörungstheorie zu überzeugen. Simpson sei das Opfer von Rassismus der kalifornischen Polizei. Alle Beweise, die gegen diese Verschwörungsthese und damit gegen Simpson sprachen, wurden einfach als Fälschungen der Hintermänner der Verschwörung deklariert. Das Beispiel zeigt, wir wirkungsvoll Verschwörungstheorien sein können und wie leicht Menschen diese für bare Münze nehmen.


Henrik Schmitz ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Kultur und Medien.

Bei dem Artikel handelt es sich um eine Aktualisierung eines Beitrages aus dem "Team Blog"