"Es gibt die kargen Zeiten, wo Gott ganz fern ist"

Foto: epd-bild/Norbert Neetz
"Es gibt die kargen Zeiten, wo Gott ganz fern ist"
Nikolaus Schneider und seine Frau Anne mussten schon einmal einen Schicksalsschlag durch Krankheit aushalten
Die Krebserkrankung seiner Frau Anne ist für Nikolaus Schneider nicht die erste persönliche Krise. Das Ehepaar musste 2005 den Tod der jüngsten Tochter verkraften. Dabei halfen der Glaube an Gott und ein offener Umgang mit dem Erlebten.
01.07.2014
epd
Ingo Lehnick

"Es gibt die kargen Zeiten, die Wüstenzeiten, wo Gott ganz fern ist und ich mich fast gottverlassen fühle", sagt Nikolaus Schneider im Mai 2005. Drei Monate nach dem Leukämie-Tod seiner jüngsten Tochter Meike berichtet der Theologe damals auf dem evangelischen Kirchentag in Hannover offen über seine Glaubenszweifel. Neun Jahre später stellt ihn jetzt die Krebserkrankung seiner Frau Anne vor eine neue Prüfung.

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Wie schon in den vergangenen Jahren geht Schneider, seit 2010 oberster Protestant in Deutschland, auch diesmal sehr offen mit seinem Schicksal um. Er wolle dem gemeinsamen Weg mit seiner Frau "alle Zeit widmen", betont der 66-Jährige in einer öffentlichen Erklärung und kündigt seinen vorzeitigen Rückzug vom Amt des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an. Die Begleitung seiner ein Jahr jüngeren Ehepartnerin mache diesen Schritt unerlässlich.

"Von dem, was ich sage und schreibe, ist auch Vieles von ihr"

Seit 44 Jahren ist das Paar verheiratet, das sich im Theologiestudium kennenlernte. Die pensionierte Religions- und Mathe-Lehrerin Anne ist für Nikolaus Schneider, der in einem kirchenfernen Arbeitermilieu aufwuchs, seit jeher ein wichtiger Rückhalt - auch in seinen kirchlichen Spitzenämtern. Sie sei für ihn "der wichtigste Gesprächspartner, auch in kirchlichen und theologischen Fragen", bekannte der langjährige Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland einmal.

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Bei seiner Verabschiedung aus dem Rheinland verriet er im März 2013: "Von dem, was ich sage und schreibe, ist auch Vieles von ihr." Seit Jahren begleitet Anne Schneider ihren Mann bei einer Reihe von Terminen und Reisen. Erprobt ist auch die Auseinandersetzung in ethischen und theologischen Diskussionen, bei denen es im Hause Schneider durchaus kontrovers zugeht.

Beeindruckt und bewegt hat das Ehepaar in den vergangenen Jahren viele Menschen durch seinen Weg öffentlicher Trauerbewältigung: In Büchern und zahlreichen Vorträgen und Diskussionen berichten Anne und Nikolaus Schneider immer wieder über Leid und Verzweiflung, Anfechtung und Zweifel rund um Meikes Krebs-Tod im Alter von nur 22 Jahren - aber auch vom Erleben Gottes, von Liebe, Trost und Hoffnung. Sie schildern ehrlich, offen und ohne simple Floskeln oder theologische Erklärungen ihr persönliches Erleben.

Glaube tröstet und gibt Hoffnung

Durch Meikes Tod sei der Umgang mit Tod und Trauer "unser Lebensthema" geworden, sagte Nikolaus Schneider bei einem dieser Vorträge. Bis heute hat er seine Fragen an Gott, aber der christliche Glaube sei ihm in der Leidenszeit auch ein "tröstendes Fundament" gewesen.

Anderthalb Jahre nach Meikes Tod konnte Anne Schneider erklären, ihre lebendige Beziehung zu Gott habe sie auch durch Trauer und Schmerz hindurch getröstet und bewahrt und ihr neue Hoffnung gegeben. "Wir wollen anderen weitergeben, dass der Glaube an Gott auch in solchen leidvollen Situationen trägt", sagte sie im November 2006 bei der Vorstellung eines gemeinsamen Buches mit ihrem Mann Nikolaus über "Leben und Glauben mit dem Tod eines geliebten Menschen".

Was Anne und Nikolaus Schneider in Krisenzeiten wichtig ist, lässt sich auch am Titel ihres vor gut einem Jahr vorgestellten jüngsten Buches ablesen: "Vertrauen - Was in unsicheren Zeiten wirklich trägt". "Wir leben in der Gewissheit, dass wir niemals allein sind, was immer wir tun und lassen, was immer wir erdulden und erleiden", heißt es darin.