Schorlemmer: Kirche war zu wenig Anwältin der Schwachen

Schorlemmer: Kirche war zu wenig Anwältin der Schwachen
Der DDR-Bürgerrechtler und evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer hat den Kirchen vorgeworfen, sich nach der Wende nicht genug hinter die sozial schwachen Menschen gestellt zu haben.

Besonders in Ostdeutschland seien die Kirchen nicht als "Anwälte derer, die Verlierer waren", wahrgenommen worden, sagte Schorlemmer am Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion auf der Leipziger Buchmesse. Es sei immer nur von "Freiheit" die Rede gewesen, da hätten sich die Menschen gefragt: "Wo bleiben wir?"

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Christen müssten sich davon lösen, die absolute Wahrheit verbreiten zu wollen und zu einem "Bekenntnis" zurückkehren, sagte Schorlemmer weiter. "Überall da, wo die Leute mit der absoluten Wahrheit auftreten, ist der Kampf nicht fern", sagte der Bürgerrechtler.

Dennoch sei es nicht gerechtfertigt, dass einigen Pastoren oder Religionslehrern in den neuen Ländern mitunter offene Aggression entgegenschlage, betonte Schorlemmer. Religionsfreiheit müsse auch heißen, frei von einer Religion zu sein, aber nicht, "gegen die zu sein, die einen Glauben haben", sagte der Theologe und warb zugleich für "innere Toleranz" in der Gesellschaft.

Zuvor hatte die Leipziger Pfarrerin Christiane Thiel berichtet, sie erlebe in ihrem Alltag als Religionslehrerin häufig "Kirchenfeindlichkeit und Religionsaggressivität". Sie führte dies unter anderem darauf zurück, dass Kinder und Jugendliche in Ostdeutschland die "dritte Generation ohne Religion" seien. Viele Schüler seien bindungslos, hätten den Halt in der Gesellschaft verloren und wendeten sich in "Hass gegen Kirche und die, die sie repräsentieren".