Kambodschas junge Mönche streiten für Reformen

Foto: Thinkstock/iStockphoto/Dirk Ott
Kambodschas junge Mönche streiten für Reformen
In Kambodscha wird der Ruf nach politischem Wandel immer lauter. Vor allem junge Leute wehren sich gegen Korruption, Vetternwirtschaft und Kontrolle durch die mächtige Kambodschanische Volkspartei (CPP). Doch deren Macht bröckelt, bei der letzten Wahl erreichte sie nur eine knappe Mehrheit. Die Opposition wird von buddhistischen Mönchen unterstützt - ebenfalls von der jungen Generation.

Das Haus Nummer 17 in Phnom Penhs wohlhabendem Stadtteil Tool Kork sticht aus den mauernbewehrten Villen hervor. Das Tor steht weit offen und gibt den Blick auf bunt angemaltes Haus frei. Unversehens kommt dem europäischen Besucher die Villa Kunterbunt von Pippi Langstrumpf in den Sinn. Rieth Thule kennt Pippi Langstrumpf nicht, aber dem Kambodschaner gefällt, was er über die Heldin von Astrid Lindgren erfährt. "Freie und kritische Geister sind wir auch", sagt Rithy Thul über das von ihm gegründete Unternehmen SmallWorld, das er als "Inkubator" beschreibt, mit dessen Hilfe junge, optimistische kambodschanische Start-Up-Unternehmen ihre Geschäftsideen zur Marktreife ausbrüten können.

In der bunten Villa von SmallWorld arbeiten junge kambodschanische Start-Up-Unternehmen ihre Geschäftsideen aus.

Manche der Jungunternehmer sitzen an ihren Computern in einem der Zimmer der bunten Villa, andere habe sich ein schattiges Plätzchen an einem der Tische im Hof als Arbeitsplatz gewählt. Locker, studentisch und munter geht es zu in der Kleinen Welt. Einer aber hebt sich von den anderen jungen Leuten ab: ein buddhistischer Mönch in seiner leuchtend gelben Robe. Er heißt Chhut Sarath und nimmt an einem mehrwöchigen Kurs über Vermarktungsstrategien für soziale Projekte teil.

Chhut Sarath lebt im Wat (Tempel) Ounalom im Zentrum Phnom Penhs. Die Pracht des Klosters und seine prominente Lage zwischen Königspalast und Regierungsviertel unterstreichen die Bedeutung der Pagode als Sitz des Obersten Patriarchen des kambodschanischen Buddhismus. Wat Ounalom steht in dem Ruf, absolut loyal zu dem seit über 30 Jahren regierenden Premierminister Hun Sen, 61, und seiner einstmals kommunistischen Kambodschanischen Volkspartei (CPP) zu stehen.

Nur noch eine knappe Mehrheit für die Volkspartei

Dr. Wolfgang Sachsenröder weiß um die immense Bedeutung der Religion in den politischen Prozessen Asiens. "Für politische Parteien sind die buddhistischen Netzwerke so wichtig, weil sie beim sogenannten einfachen Volk, in Kambodscha vor allem in den schwer zugänglichen ländlichen Gebieten, den großen Vertrauensvorschuss haben, wie bei uns früher die Kirchen", sagt Sachsenröder, der am Institute of Southeast Asian Studies in Singapur zu Politik und politischen Parteien in Kambodscha und anderen südostasiatischen Ländern forscht.

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Seit den Wahlen Ende Juli ist in Kambodscha aber alles anders. Hun Sens Kambodschanische Volkspartei (CPP) konnte sich gerade so an der Macht halten. Sie büßte rund ein Viertel ihrer 90 Sitze ein - trotz massiver Wahlmanipulationen. Die Nationale Rettungspartei (CNRP) hingegen konnte ihre Sitze in der Opposition auf 55 fast verdoppeln. Die CNRP ist gar der Auffassung, sie sei der wirkliche Wahlsieger und fordert unverdrossen eine unabhängige Überprüfung des Wahlergebnisses. Um das durchzusetzen, boykottiert sie das Parlament.

Der knappe Machterhalt der CPP zeigt zweierlei: die große Sehnsucht der Kambodschaner nach 'Doh'  - Wandel - nach Jahrzehnten der korrupten Regierung von Hun Sen. Die CPP kontrolliert - noch - die wichtigsten gesellschaftlichen Institutionen wie Verwaltung, Armee, Polizei und den Buddhismus. Vor allem aber hat die CPP die Rechnung ohne die Jugend gemacht.

Junge Menschen fordern mehr Transparenz

Die Führungsebenen der Institutionen - in der Religion die Äbte der buddhistischen Klöster – werden von der Generation dominiert, die als Opfer und Täter Krieg, Rote Khmer, vietnamesische Besatzung und Bürgerkrieg erlebt hat und sich heute – einschließlich ehemaliger Roter Khmer - in einem kompliziert austariertem System die Macht teilt. Diese Generation steht fest zu Hun Sen, der sich als Garant der mühsam erreichten sozialen und gesellschaftlichen Stabilität inszeniert. Diese Stabilität hat sich Hun Sen durch einen diktatorischen Regierungsstil sowie durch ein System aus Vettern- und Pfründewirtschaft und Korruption teuer erkauft. Die kambodschanische Armee zum Beispiel hat rund 2000 Generäle. Die um einiges größere US-Armee dagegen nur etwa 500.

Die unteren Ränge der gesellschaftlichen Institutionen hingegen bestehen aus der jungen Generation. Die Wählerschaft in diesem Jahr war die jüngste in Kambodschas Geschichte. 3,5 Millionen Wähler waren zwischen 18 und 30 Jahren. Sie sind besser gebildet als ihre Eltern, sind vertraut mit Kommunikationstechnologien und sozialen Internetnetzwerken. Die jungen Leute sind in der Lage und willens, die Politik der Regierung zu hinterfragen und mehr Transparenz zu fordern.

"Die alten Parteien und Politiker aus der Zeit von Krieg und Rote Khmer haben für die jungen Leute keine Bedeutung mehr. Neben Frieden wollen sie vor allem auch Fortschritt und soziale Gerechtigkeit," sagt Tassilo Brinzer, Herausgeber des in Phnom Penh erscheinenden Magazins Southeast Asia Globe. "Es gibt schon eine ganze Reihe sehr fähiger, kompetenter junger Leute. Noch werden sie aber von den Alten von der Macht abgehalten. Zur Not müssen diese jungen Leute eine neue Partei mit klarer Programmatik und Zielsetzung gründen."

Mönche auf der Seite der Opposition

Anders als in Birma und Thailand gibt es in Kambodscha noch keine ausgeprägten Mönchsbewegungen, die sich aktiv an die politischen Prozesse einmischen. Es sind viele einzelne Mönche oder kleine Gruppen aus den Klöstern, die sich im Wahlkampf offen an die Seite der Opposition gestellt haben und bei den Massendemonstrationen gegen Wahlbetrug deutlich sichtbar waren. Auch das Mönchtum ist jung, nicht zuletzt, weil die kommunistischen Roten Khmer Tempel zerstört und Mönche umgebracht hatten und das mönchische Leben nach Ende der Terrorherrschaft fast komplett neu aufgebaut werden musste.

Der buddhistische Mönch Chhut Sarath nimmt an einem Kurs über Vermarktungsstrategien für soziale Projekte teil.

"Auch die jungen Mönche  wollen Veränderungen und Reformen", sagt Chhut Sarath und weiß zu berichten, wie die oberen Mönchsränge ihre Macht zu nutzen, um die Mönche unter ihrer Fuchtel zu halten. "Sie versuchen uns daran zu hindern, auf die Straße zu gehen und unsere Stimme zu erheben. Sie wollen uns in den Tempeln halten. Viele Mönche aber setzen sich darüber hinweg", sagt Chhut Sarath lächelnd. Dann fügt er hinzu: "Die Regierung hat Angst vor uns, weil die Menschen uns mehr vertrauen als ihr."

Chhut Sarath beschränkt seinen Wunsch nach "Doh" nicht nur auf Wahlen. Der 27-jährige unterstützt die Mean Chey Safe Vegetable Farm im Norden Kambodschas. Deshalb nimmt er an dem Kurs bei SmallWorld teil. "Gute Produkte herzustellen ist eine Sache. Aber man muss auch wissen, wie man sie vermarktet. Das möchte ich hier lernen und das Wissen dann an die Bauern weitergeben."

Chhut Sarath und SmallWorld-Gründer Rithy stehen für ein anderes Kambodscha, ein Kambodscha, in dem kleine Unternehmen und Gewerbetreibende eine Chance haben. "Es gibt bei uns sehr, sehr viele Chancen für gute Geschäfte. Aber die Regierung ist nicht an der Förderung von jungen und kleinen Unternehmen interessiert. Deren Profite sind zu gering. Da fällt nichts für die korrupten Beamten und Politiker ab, die schnell viel Geld machen wollen", sagt Chhut Sarath. Rithy ergänzt: "Die Zukunft unseres Landes hängt doch von der jungen Generation ab. Aber wer nicht aus reichen Familien mit Beziehungen stammt, hat hier keine Chance." Deshalb streiten sie für Doh – Wandel.