Orchester auf der Empore

Foto: epd-bild / Andrea Enderlein
In der Saalkirche im rheinland-pfälzischen Ingelheim wird zur Zeit die europaweit erste Kirchenorgel aus der amerikanischen Kult-Werkstatt Skinner installiert.
Orchester auf der Empore
In Ingelheim erklingt bald die erste europäische Orgel der US-Firma Skinner
Die Instrumente des US-amerikanischen Orgelbauers Ernest Skinner haben bei Organisten einen ähnlichen Ruf wie die Marke Rolls Royce unter Autofahrern. Die erste Skinner-Kirchenorgel Europas wird ab Dezember in Rheinland-Pfalz erklingen.
02.12.2013
epd
Karsten Packeiser

In Passaic westlich von New York tauschten zwei christliche Gemeinden, eine wachsende und eine schrumpfende, im Jahr 2008 ihre Kirchen. Die First Presbyterian Church musste in kleinere Räumlichkeiten umziehen und stellte dabei fest, dass ihre Orgel nicht mehr ins neue Gotteshaus passte. Das Instrument wurde im Internet als Notverkauf angeboten, eine evangelische Kirchengemeinde aus Rheinland-Pfalz griff zu - und erwarb eine echte Rarität mit Kultstatus. Ingelheim am Rhein dürfte durch den Kauf zu einem neuen Anlaufpunkt für Organisten aus dem In- und Ausland werden.

###mehr-artikel###Unter der Werksnummer 823 war das Instrument im Jahr 1930 von Ernest Skinner (1866-1960) konstruiert worden. Skinner, zu Lebzeiten der wohl renommierteste Orgelbauer der Vereinigten Staaten, hatte Aufträge für viele bedeutende US-Kathedralen und Konzertsäle übernommen, jedoch mit einer Ausnahme niemals eine Orgel nach Europa verkauft. Vom Privatschloss eines französischen Multimillionärs abgesehen, besitzt die Saalkirche in Ingelheim nun das einzige Skinner-Instrument in ganz Europa.

Derzeit gleicht die Ingelheimer Saalkirche noch einer großen Baustelle. Überall liegen in Holzkisten verpackte Bauteile herum, allein 3.900 Pfeifen soll das fertige Instrument umfassen. Das bereits montierte Gewirr dicker Metallrohre für die künftige Windzufuhr verschafft Besuchern schon jetzt einen Eindruck vom Ausmaß der Orgel, die ab Ende des Jahres bespielbar sein soll. "Wir haben Klangfarben, die es im deutschen Orgelbau nicht gibt", schwärmt Dekanatskantor Carsten Lenz über seinen Schatz. "Hier ist alles drin, was Spaß macht."

Viel ausgeprägter als bei europäischen Orgeln üblich, versuchte Ernest Skinner den Klang eines ganzen Orchesters auf seinen Orgelemporen zu bündeln. Beispielsweise ließ er ein Waldhorn-Register in sein Opus 823 einbauen, ebenso eine "Hochdruck-Tuba" und eine "Harfe", bei der Metallplättchen mit Hilfe von Klavierhämmern angeschlagen werden. Dazu gibt es ungemein viele leisere Klangfarben zur Begleitung großer Chöre. Die Orgel eignet sich daher besonders gut für modernere Musik, etwa Kompositionen der französischen Romantik - und eher weniger für das ganz klassische Bach-Konzert.

Kaiserpfalz Karls des Großen

Die Saalkirche, erbaut auf dem Gelände der einstigen Kaiserpfalz von Karl dem Großen, sollte schon seit vielen Jahren eine größere Orgel bekommen. Als Lenz im Internet das Angebot las, ein gebrauchtes Skinner-Instrument kurzfristig für 50.000 Dollar zu erwerben, setzte er schon Minuten später alle Hebel für eine Eilentscheidung in Bewegung. "Ungesehen kaufen", gab auch der damalige Orgelexperte der Landeskirche die Richtung vor. Innerhalb von Stunden hatten alle entscheidenden Gremien der Gemeinde ihre Zustimmung gegeben, und wahrscheinlich wegen der Zeitverschiebung waren die Deutschen die ersten, die ihr Kaufinteresse bekundeten.

###mehr-links###Die Kirchengemeinde hat für das Orgelprojekt erhebliche Ausgaben auf sich genommen, von denen der eigentliche Kaufpreis noch einen der kleinsten Posten darstellt. Abbau, Transport nach Deutschland und der Wiederaufbau durch das Bonner Orgelbau-Unternehmen Klais, das auch schon Instrumente in Peking, Moskau oder Kuala-Lumpur konstruierte, schlagen mit zusammen mehr als einer Million Euro zu Buche. Den größten Teil der Summe hat die Gemeinde durch Privatspenden bereits zusammenbekommen, auch die Landeskirche und die Stadt Ingelheim unterstützen das Vorhaben.

"Ab dem nächsten Jahr wird es hier ziemlich rund gehen", verspricht Carsten Lenz. Der Andrang interessierter Musiker sei bereits jetzt ziemlich groß. "Ich könnte schon heute alle Konzerttermine für die kommenden drei bis vier Jahre komplett vergeben", sagt der Kirchenmusiker. Für die Zeit ab März 2014 bereits eingeplant sind Konzerte des Briten David Briggs, des Australiers Thomas Heywood und des US-Amerikaners Andrew Senn.