TV-Tipp des Tages: "Tatort: Freunde bis in den Tod" (ARD)

iStockphoto
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Freunde bis in den Tod" (ARD)
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Freunde bis in den Tod", 6. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten
Mordopfer Ron galt als arrogant und unnahbar. Die Recherchen ergeben noch weitere charakterliche Schwächen. Je mehr Odenthal und Kopper über den Jungen rausfinden, umso komplexer wird die visuelle Ästhetik des Films.

Die Vorspannbilder werden konservative "Tatort"-Zuschauer womöglich etwas verschrecken: Die flirrenden verfremdeten Bilder wirken wie ein schlechter Trip und erinnern an eine Ästhetik, mit der sich vor einigen Jahren Thriller aus Hollywood schmückten. Aber der optische Spuk dauert gerade mal eine Minute, dann wandelt sich "Freunde bis in den Tod" zu gewohnt solider Krimikost aus Ludwigshafen. Regisseur Nicolai Rohde und Kameramann Jürgen Carle gestalten den Film im weiteren Verlauf betont unspektakulär; die SWR-Produktion ist ein klassisch konventioneller Sonntagsfilm, der sich ausschließlich auf die Lösung des Mordfalls konzentriert. Das Drehbuch stammt von Grimme-Preisträger Harald Göckeritz ("Grüße aus Kaschmir", "Der Mann mit dem Fagott"), dessen Geschichten sich stets durch sorgfältige Zeichnungen der Charaktere auszeichnen.

Rekonstruktion der Persönlichkeit

Bei diesem Film gilt das insbesondere für das Mordopfer, denn um zu verstehen, warum ein hochintelligenter Schüler aus nächster Nähe mit einem Jagdgewehr erschossen wurde, versuchen Lena Odenthal und ihr Kollege Kopper (Ulrike Folkerts, Andres Hoppe), die Persönlichkeit des Jungen zu rekonstruieren. Da ein derartiges Unterfangen naturgemäß nur verbal möglich ist, wird in dem Film zwangsläufig viel geredet. Rohde verzichtet zudem auf die gewohnten Krimielemente. Dass "Freunde bis in den Tod" trotzdem spannend ist, verdankt der Krimi der Komplexität seiner Hauptfiguren sowie der Führung gerade der praktisch unbekannten jungen Darsteller.

Zusätzliche Brisanz bekommt die Handlung durch die unterschwellige Gewalt, die sich wie ein roter Faden durch den Film zieht; und das auf gleich mehreren Ebenen. Mordopfer Ron galt als arrogant und unnahbar. Die Recherchen ergeben noch weitere charakterliche Schwächen. Je mehr Odenthal und Kopper über den Jungen rausfinden, umso komplexer wird die visuelle Ästhetik des Films. Rons Smartphone spielt dabei eine zunehmend größere Rolle: Mit ihm hat er nicht nur einen spielsüchtigen Lehrer (Anian Zollner) am Glückspielautomaten gefilmt, sondern auch Mitschülerin Julia (Leonie Benesch) in einem sehr intimen Moment; beide sind später von ihm erpresst worden, was sie entsprechend verdächtig macht. Außerdem findet Kopper auf dem Gerät des Jungen ein Handy-Ballerspiel, das Ron selbst programmiert hat. Ziel des Spiels ist die Vernichtung von insektenähnlichen Wesen, Schauplatz des Gemetzels ist die Schule. Prompt vermuten die Ermittler, Ron habe einen Amoklauf geplant; und offenbar will sein bester Freund Manu (Joel Basman) das Vorhaben zu Ende bringen. 

Der Kontrast zwischen dem immer wieder bildfüllend gezeigten Spiel und der üblichen Fernsehästhetik macht einen großen Reiz des Films aus. An anderen Stellen hat Rohde dafür kleine Pannen übersehen: Im Laufband eines TV-Berichts hat sich ein Fehler eingeschlichen ("ermordert"), und am Innenspiegel von Manus Auto hingen gerade noch ein paar Schlüssel und nach einem Schnitt eine hüllenlose CD. Außerdem klingt der urplötzlich von lauter Anglizismen durchsetzte Wortschatz Julias etwas aufgesetzt. Wer die Qualität eines Krimis jedoch daran misst, wie lange man rätseln kann, wer der Mörder ist, kommt bei "Freunde bis in den Tod" auf seine Kosten.