"Erntedank für die Heilkraft der Kräuter"

Foto: dpa Picture-Alliance/Rolf Haid
"Erntedank für die Heilkraft der Kräuter"
Die Weihe von Kräutern an Mariä Himmelfahrt hat ein lange Tradition
Es ist ein uralter Brauch: Schon vor Jahrhunderten banden Hausfrauen im August Kräutersträuße, die an Mariä Himmelfahrt geweiht wurden. In vielen katholischen Pfarreien lebt diese Tradition bis heute fort.

Mitten im Sommer dachten die Menschen vor Jahrhunderten schon an den Winter. Frauen sammelten in den warmen Wochen von Ende Juni bis Mitte August Kräuter und Blüten und trockneten diese, um die Kraft der Heilpflanzen in der kalten Jahreszeit zu nutzen. Bis heute werden die Heilkräuter vor allem in katholischen Gebieten Deutschlands am 15. August geweiht - am Festtag Mariä Himmelfahrt.

So gibt es in vielen Regionen Bayerns, etwa in Ostbayern, in Oberbayern oder im Allgäu den Brauch, Kräuterbüschel zu den Festgottesdiensten in die Kirche zu bringen, wo sie der Priester weiht. Der Regensburger katholische Pfarrer Claus Chrt erinnert sich: "Das hat früher fast jede Hausfrau gemacht." In seiner Pfarrgemeinde übernimmt das Kräutersammeln heute der Frauenbund. Am Tag vor dem Marienfest sammeln die Frauen Wild-, Kultur- und Heilpflanzen. "Ein großer Strauß wird dann in einer Vase vor dem Altar aufgestellt", erzählt der Pfarrer der 2.400-Seelen-Gemeinde. Kleine Sträuße werden nach dem Gottesdienst verkauft.

Eine Muttergotteskerze in der Mitte

Zuhause hängen die Gläubigen die geweihten Kräuter mit den Blüten nach unten zum Trocknen auf oder bewahren sie im "Herrgottswinkel" auf. Der Strauß soll vor Krankheit und Unwetter schützen. Früher bereiteten die Menschen auch Tee daraus zu. Ältere erinnern sich zudem: "Bei Gewitter eine Handvoll ins Herdfeuer geworfen, sollten sie das Jahr über vor Blitzschlag schützen." Auch krankes Vieh bekam geweihte Kräuter unter das Futter gemischt. Mancherorts wurde Verstorbenen ein Kreuz aus geweihten Kräutern in den Sarg gelegt - zum Schutz vor den bösen Mächten auf dem Weg in den Himmel.

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Die Kräutersträuße fallen je nach Region sehr unterschiedlich aus. Die Büschel werden aus mindestens sieben verschiedenen Gewächsen gebunden. Sie sollten eine magische Anzahl an Kräutersorten enthalten, also aus "heiligen" Zahlen wie etwa 7, 9, 12, 15 oder 19 bestehen. Aus Gegenden in Oberbayern ist überliefert, dass dort sogar 72 Kräuterarten zusammengebunden wurden. Zu den Hauptkräutern eines Büschels zählen Wermut, Kamille, Salbei, Spitzwegerich und Arnika. Eine Königskerze, auch Wetterkerze oder Muttergotteskerze genannt, darf in der Mitte des Straußes nicht fehlen. Ebenso unerlässlich ist Johanniskraut, soll es doch vor Schwermut bewahren.

Nach der Legende fanden die Apostel Blumen in Jesu Grab

Der Brauch der Kräuterweihe gilt aus Achtung vor der Schöpfung als eine Art "Erntedank für die Heilkraft der Kräuter". Kräutergärten waren einst der Stolz jeder Bäuerin, die die Naturkräfte zu nutzen wusste. Als beste Zeit, Kräuter und Feldblumen zu ernten, gilt die Periode zwischen dem Johannes-Tag (24. Juni) und Mariä Himmelfahrt (15. August). Den Kräutern wird ab Mariä Himmelfahrt eine besondere Heilkraft zugeschrieben.

Die Kräuterweihe an Mariä Himmelfahrt soll auf eine biblische Legende zurückgehen: Als die Apostel am dritten Tag nach Marias Bestattung die Tote noch einmal sehen wollten, war das Grab leer. Statt ihres Leichnams fanden sie blühende und duftende Blumen sowie Kräuter.

Für den Regensburger Pfarrer Chrt ist das Marienfest heute wie damals ein "Naturfest". Er will es als Zeichen für die Schönheit der Schöpfung begehen, versteht es aber auch "ökumenisch": als ein Fest gemeinsamen Glaubens an die unzerstörbare Würde des Menschen. Den Frauen in seiner Gemeinde schenkt er nach dem Festgottesdienst eine Rose zum Ausdruck des Lebens, der Freude und der Hoffnung.