Jugendämter nehmen immer öfter Kinder in Obhut

Jugendämter nehmen immer öfter Kinder in Obhut
Die Zahl der Kinder in angeordneter Obhut steigt. Mehr als 40.000 Jungen und Mädchen mussten 2012 zum eigenen Schutz ihre Familie verlassen. Die Arbeiterwohlfahrt fordert mehr staatliche Unterstützung für Familien, um den Notfall von vornherein zu verhindern.

Das waren gut 1.700 Jungen und Mädchen (fünf Prozent) mehr als 2011, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch mitteilte. Demnach hat die Zahl der Inobhutnahmen in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Gegenüber 2007, als es 28.200 Fälle gab, ist sie um 43 Prozent gestiegen.

###mehr-artikel###Bei einer Inobhutnahme nehmen Jugendämter Kinder, deren Wohl akut gefährdet ist, kurzfristig auf und bringen sie in einer geeigneten Einrichtung unter, zum Beispiel in einem Heim. Das geschieht auf eigenen Wunsch der Minderjährigen oder aufgrund von Hinweisen, etwa von der Polizei oder von Erziehern. Der häufigste Anlass für das Einschreiten der Jugendämter war 2012 die Überforderung der Eltern. Dies traf nach Angaben der Statistiker bei 17.300 Minderjährigen (43 Prozent) zu.

Die meisten der in Obhut genommenen jungen Menschen, nämlich 27.800 (69 Prozent), lebten davor bei ihren Eltern oder einem Elternteil. Mehr als die Hälfte von ihnen (15.700 oder 39 Prozent aller in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen) kehrten danach wieder zu den Sorgeberechtigten zurück.

"Familien unter Dauerbelastung"

"Die aktuelle Statistik spiegelt auf drastische Weise wieder, dass sich viele familiäre Strukturen unter einer Dauerbelastung befinden", sagte der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wolfgang Stadler, mit Blick auf die aktuellen Zahlen. Die steigende Zahl der Inobhutnahmen weise aber nicht nur auf Überforderung der Eltern hin, sondern zeige, dass Hilfestrukturen verstärkt werden müssten. Stadler forderte mehr Personal in Jugendämtern und eine größere Unterstützung freier Träger, die bei Eltern viel Vertrauen genießen würden.

Für fast ein Drittel (12.800 Minderjährige) schloss sich an die Inobhutnahme eine Hilfe zur Erziehung an. Das bedeutete laut Bundesamt in drei von vier Fällen eine Erziehung außerhalb des eigenen Elternhauses, zum Beispiel in einer Pflegefamilie oder in einem Heim. In 5.300 Fällen (13 Prozent) waren andere stationäre Hilfen notwendig, beispielsweise in einem Krankenhaus oder der Psychiatrie.

###mehr-links###Weiter stark zugenommen hat die Zahl der Minderjährigen, die aufgrund einer unbegleiteten Einreise aus dem Ausland in Obhut genommen wurden. Insgesamt kamen 2012 rund 4.800 Kinder und Jugendliche ohne Begleitung über die Grenze nach Deutschland, gut fünfmal mehr als im Jahr 2007 (900 Minderjährige).