Federleichter Mystiker: Cees Nooteboom wird 80

Foto: dpa/Alex Cruz
Federleichter Mystiker: Cees Nooteboom wird 80
Ein Porträt zum Geburtstag des niederländischen Schriftstellers
Er flog von der Klosterschule, trampte durch Europa, heuerte als Leichtmatrose an. Bekannt aber wurde Cees Nooteboom für seine Romane und Novellen - und er ist mittlerweile in Deutschland angesehener als in seiner niederländischen Heimat.
31.07.2013
epd
Claudia Schülke

Seine Engel haben Stupsnasen und falsche Flügel. Der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom will die Leser nicht mit grundsätzlichen philosophischen Überlegungen kopfscheu machen. Seine Fragen nach dem Jenseits tarnt er mit Ironie. Immer gräbt er mit Werken wie "Rituale" und "Die folgende Geschichte" nach dem tieferen Sinn, präsentiert aber den Tiefgang federleicht und schwerelos. Ein "Profi mit Humor, Selbstironie und unglaublicher Tatkraft", urteilt seine deutsche Lektorin Julia Ketterer. Am 31. Juli 2013 wird er 80 Jahre alt.

Nooteboom lotet Zwischenräume aus, überblendet Gegenwart und Vergangenheit, verquickt Mythos und Realität. Die Zeit ist in seinen Romanen buchstäblich aus den Fugen, seine Figuren bewegen sich auch ohne Flügel schwerelos zwischen den Metropolen dieser Welt und den Ufern des mythischen Totenflusses Acheron.

Erste Ehe in Surinam

Den Zugang zu antiker Mythologie und christlicher Tradition haben ihm die katholischen Klosterinternate in Eindhoven und Venray erschlossen, die er besuchte. 1933 in Den Haag geboren, hatte Nooteboom seinen Vater 1945 bei einem Bombenangriff verloren. Sein streng katholischer Stiefvater schickte ihn zu den Franziskanern und Augustinern, bei denen sich er sich aber nicht wohlfühlte: Wegen seiner Aufsässigkeit musste er vorzeitig die Schule verlassen.

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Zunächst verdiente er seinen Lebensunterhalt bei einer Bank in Hilversum und mit Gelegenheitsarbeiten. 1953 packte er seinen Rucksack und stieg in den Zug nach Breda. An der belgischen Grenze stellte er sich an den Straßenrand und hob den Daumen. Seiner ersten Reise als Tramper durch Europa folgte sein erster Roman: "Philip en de anderen" (Deutsch: "Das Paradies ist nebenan", 1958) wurde 1957 mit dem Anne-Frank-Preis ausgezeichnet und in die Lehrpläne aufgenommen.

Im selben Jahr heuerte Nooteboom als Leichtmatrose auf einem Schiff nach Surinam an: Er hatte sich in ein Mädchen aus Paramaribo verliebt und wollte bei dessen Vater um die Hand der Braut anhalten. Der Vater sagte nein, die beiden heirateten trotzdem, aber die Ehe hielt nur bis 1964. Aus diesen Erfahrungen gingen seine tropischen Erzählungen "Der verliebte Gefangene" (1958) hervor, die aber erst 2006 in der deutschen Übersetzung von Helga von Beuningen erschienen.

Im niederländischen Literaturbetrieb ein Außenseiter

Nootebooms zweiter Roman "Der Ritter ist gestorben" (1963) blieb vorerst sein letzter. Dafür machte sich der Autor nun einen Namen als Reiseschriftsteller und Reporter. Schon 1956 hatte er über den Ungarn-Aufstand berichtet. Seine Reportagen über die Studentenunruhen in Paris erschienen in dem Band "Paris, Mai 1968". Er berichtete über die Revolution im Iran Ende der 70er Jahre und war 1989 in Berlin zur Stelle: Seine Essaysammlung "Berliner Notizen" erschien ein Jahr später.

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Vor allem aber veröffentlichte er Essays über seine Reisen um die ganze Welt. "Der Umweg nach Santiago" (1992) mit den Fotos seiner zweiten Frau Simone Sassen verrät schon im Titel, dass es dem Verfasser stets um den Weg als Ziel geht. Drei Reisebände sind in den Gesammelten Werken erschienen, die der Suhrkamp Verlag zum 70. Geburtstag des Autors neunbändig auflegte. Die Essaysammlung "Nootebooms Hotel" (2002) wurde sogar als dokumentarische "Bilderreise ins Land der Worte" von Heinz Peter Schwerfel verfilmt.

Inzwischen hatte Nooteboom mit seinem Buch "Rituale" (1980, dt. 1985) auch als Romancier seinen internationalen Durchbruch erlebt. In Deutschland fand seine Novelle "Die folgende Geschichte" große Resonanz bei dem Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und dem Philosophen Rüdiger Safranski. Mancher sah Nooteboom schon als Anwärter auf den Nobelpreis. Dabei gilt er im niederländischen Literaturbetrieb eher als Außenseiter.

Sein Leben: reisen, sehen und schreiben

Mit dem Roman "Allerseelen" (1998) legte Nooteboom abermals ein Werk vor, in dem das geteilte Berlin die Hauptrolle spielt. Grenzgänge zwischen Leben und Tod unternahm er 2009 in seinem Erzählungsband "Nachts kommen die Füchse". In seinen "Briefen an Poseidon" (2012) setzt er 23 Mal an, um die Welt in einer blühenden Agave oder dem Klappern von Eselhufen erlebbar zu machen.

Zu seinem 80. Geburtstag widmet ihm der Suhrkamp Verlag in seiner "Quarto"-Reihe einen voluminösen Band mit mehr als 1.200 Seiten gesammelter Romane und Erzählungen. Zudem erscheinen neue Gedichte unter dem Titel "Licht überall" und im September sollen in der Insel-Bücherei "Venezianische Vignetten" herauskommen.

Gerade ist er aus Südamerika zurückgekommen, wo er in Uruguay, Chile, Kolumbien und Mexiko gelesen hat. Sein Leben, sagte Nooteboom einmal, bestehe aus Reisen, Sehen und Schreiben.