Klima-Drama vor Gericht: RWE siegt gegen Bauer

Der peruanische Bergbauer und Bergführer Saul Luciano Lliuya
Rolf Vennenbernd/dpa
Der peruanische Bergbauer und Bergführer Saul Luciano Lliuya.
Großkonzern bleibt verschont
Klima-Drama vor Gericht: RWE siegt gegen Bauer
Das Oberlandesgericht Hamm wies die Klage eines peruanischen Bauern gegen RWE ab. Ein direkter Schaden durch den Konzern konnte nicht nachgewiesen werden. Das Gericht bestätigte jedoch ausdrücklich die Folgen der Klimakrise – ein wichtiges Urteil im ersten deutschen Klimafall.

In einem Grundsatzurteil hat das Oberlandesgericht Hamm die Berufung des peruanischen Kleinbauern Saul Luciano Lliuya gegen den Energiekonzern RWE zurückgewiesen. Laut der Beweisaufnahme bestehe zwar keine konkrete Gefahr für Grundstück des Bauern, erklärte das Gericht am Mittwoch. Jeder weitere Fall müsse jedoch im Einzelnen geprüft werden. (AZ.: I-5 U 15/17)

Die Umweltorganisation Germanwatch begrüßte die Entscheidung, auf die sich künftig Betroffene weltweit berufen könnten. RWE erklärte, damit sei der Versuch gescheitert, einzelne Unternehmen für die Auswirkungen des Klimawandels haftbar zu machen. Der Kleinbauer Saul Luciano Lliuya sah mit der Klage viel für den Klimaschutz erreicht, auch wenn er selbst unterlegen sei.

In dem mehrere Jahre dauernden Rechtsstreit zwischen dem peruanischen Kleinbauern und dem Essener Energiekonzern RWE ging es um die Frage, inwieweit der Kläger und seine Familie von einer möglichen Flut aufgrund des stark angewachsenen Gletschersees Palcacocha in Peru bedroht sind. Der Bauer wollte erreichen, dass sich RWE an den Kosten für Schutzmaßnahmen vor der Erderwärmung in seiner Heimat beteiligt.

Laut der Beweisaufnahme liege die Wahrscheinlichkeit, dass Wasser des Gletschersees das Haus des Klägers innerhalb der nächsten 30 Jahre erreiche, bei nur etwa einem Prozent, erklärte der Vorsitzende Richter Rolf Meyer. Grundsätzlich könnten jedoch Verursacher von CO2-Emissionen verpflichtet werden, bei Beeinträchtigungen Maßnahmen zur Verhinderung zu ergreifen.

Die große Entfernung zwischen den Kraftwerken und dem Wohnort des Klägers in Peru sei kein ausreichender Grund, die Klage als unbegründet einzustufen, führte Meyer aus. Auch ein nach deutschen Gesetzen bestehender Versorgungsauftrag rechtfertigte keine Duldung von Beeinträchtigungen des Eigentums des in Peru lebenden Klägers.

Anwältin Roda Verheyen und Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, vor der Urteilsverkündung mit Journalisten.

Das deutsche Zivilrecht sehe große Emittenten wie RWE in der Pflicht, Betroffene weltweit vor der Klimakrise zu schützen, erklärte die Umweltorganisation Germanwatch, die die Klage unterstützte. Diese Grundsatzentscheidung sei nun zum ersten Mal in der Geschichte in einem Urteil festgeschrieben. Darauf könnten sich Betroffene an vielen Orten weltweit berufen. In zahlreichen anderen Ländern wie Großbritannien, den Niederlanden, USA oder in Japan gebe es ähnliche rechtliche Voraussetzungen.

Der Kleinbauer Saul Luciano Lliuya äußerte sich erfreut über die Unterstützung. "Ich bin euch sehr dankbar", sagte Lliuya in einer Live-Übertragung aus seiner Heimat. Die Klage habe Wichtiges erreicht, das mache ihn stolz. "Große Verursacher der Klimakrise müssen für die Folgen Ihres Tuns einstehen, können rechtlich haftbar gemacht werden", erklärte er. Enttäuscht äußerte er sich zu den Einschätzungen der von dem Gericht bestellten Gutachter, dass sein Haus offenbar keinen Schutz brauche.

Mit der Entscheidung des Gerichts sei der von deutschen Nichtregierungsorganisationen unterstützte Versuch gescheitert, über die Klage des peruanischen Bauern "einen Präzedenzfall zu schaffen, um nach deutschem Recht einzelne Unternehmen für Auswirkungen des Klimawandels weltweit verantwortlich zu machen", erklärte RWE in Essen. Klimapolitische Fragen müssten politisch diskutiert und beantwortet werden, sagte ein Sprecher.
Am 18. und 19. März hatten zwei vom Gericht bestellte Sachverständige die Gefahren für das Haus des Klägers als gering eingeschätzt. Ein Befangenheitsantrag der Klägerseite gegen einen der Gutachter war vom Gericht abgewiesen worden.

Im Jahr 2017 hatte das Oberlandesgericht entschieden, dass es einen zivilrechtlichen Anspruch zum Schutz von durch die Klimakrise Betroffenen gegen einen großen Emittenten wie den Energiekonzern RWE grundsätzlich für schlüssig hält. Damit wurde der Eintritt in die Beweisaufnahme beschlossen. In Deutschland war das Verfahren der erste maßgebliche Fall dieser Art.
Das Urteil ist rechtskräftig, eine Revision wurde nicht zugelassen.