Ungewissheit zwischen brauner Brühe

Ein von den Wassermassen der Elbe umschlossenenes Haus bei Meißen (Sachsen)
Foto: dpa/Matthias Hiekel
Ein von den Wassermassen der Elbe umschlossenenes Haus bei Meißen (Sachsen), aufgenommen am 5. Juni 2013.
Ungewissheit zwischen brauner Brühe
Die Stille auf dem Berg trügt. Das Meißner Pfarramt liegt über der Stadt. Pfarrer Bernd Oehler weiß dennoch, wie es den Menschen im Tal geht, ganz nah an der stetig steigenden Elbe. In der Meißner Altstadt bangen Menschen um ihre Existenz.
06.06.2013
epd
Katharina Rögner

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Pfarrer Bernd Oehler ist Notfallseelsorger und seit Tagen immer wieder im Einsatz. Zahlreiche Gespräche hat er schon geführt, manchmal hört er einfach nur zu. In Meißen haben die Händler ihre Läden leer geräumt so gut es geht, die Anwohner ihre Wohnungen. "Das ging alles mit ganz großer Disziplin", erzählt Oehler. Waren wurden sogar in höher gelegene Speicher abtransportiert, Eingänge mit Sandsäcken geschützt.

Beim Räumen hat sich ein Händler den Arm gebrochen, jetzt trägt er einen Gips und wartet wie die anderen. Mehr geht derzeit nicht. Der Elbpegel steigt noch immer. Am Mittwoch liegt er in Meißen einen knappen Meter unter der Höchstmarke von 2002, da war er bei 10,39 Meter. Alle hoffen, dass er diesmal darunter bleibt. Doch das weiß derzeit keiner. Die Menschen schweben "zwischen Hoffnung und Verzweiflung", sagt Oehler. Den meisten ist die Anspannung anzumerken. Viele Meißner haben das alles schon einmal erlebt, vor elf Jahren. Und sie wissen auch, was nach der Flut kommt.

"Das geht über die Kräfte"

Das Aufräumen und Aufbauen kostet Kraft. Das weiß auch Hausbesitzer Stephan Münch, der bis 2006 in der Altstadt einen Bäckerladen mit Café betrieb. "Sieben Wochen nach der Flut haben wir damals wieder aufgemacht", erzählt er. Wochenlang hätten sie nur gearbeitet. Das habe seiner Familie viel abverlangt.

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Doch das kann Münch jetzt nicht mehr. Schwer krank gab er seinen Laden schon vor einigen Jahren auf. Seine Wohnung liegt aber noch immer darüber im dritten Stock. Und nun nach so kurzer Zeit wieder eine solche Katastrophe. "Das geht über die Kräfte", sagt Münch. Selbst sein Großvater habe so eine Flut in Meißen nie erlebt.

Derweil versucht die Geschäftsführerin des Meißner Theaters, Renate Fiedler, ihr Haus zu retten. Im Foyer steht das Wasser meterhoch. Um die Stuckdecke zu erhalten, will das Technische Hilfswerk (THW) versuchen, die braune Brühe abzupumpen. Auch das Ergebnis dieser Aktion ist ungewiss.

Schon jetzt bereiten Fiedler die sehr wahrscheinlich nach der Flut ausbleibenden Besucher Sorgen. "Dabei sind wir doch da, wir spielen, wenn auch an Ausweich-Spielstätten", sagt die Chefin. Vor Ort sind auch die Museumsmitarbeiter der Meißner Burg. Doch am Dienstag kamen nur 20 Besucher. Am Mittwoch waren es ganze zwei. "Wir haben uns am Mittag entschieden, vorerst zu schließen", sagt Schlossleiter Uwe Michel, "die Erreichbarkeit der Burg ist derzeit sehr stark eingeschränkt." Am Montag soll nun neu über eine Öffnung beraten werden.

Auch die Evangelische Akademie Meißen hat ihre Tagungen zunächst bis Sonntag abgesagt. "Vorsorglich", sagt Direktor Johannes Bilz. Das Haus stehe aber Evakuierten und Hilfsbedürftigen offen, einige seien auch schon aufgenommen worden. Wir stehen auf "Stand-by", sagt Bilz: "Tag und Nacht".

Abendandachten in der Frauenkirche

Dass die Touristen erst einmal wegbleiben, bereitet auch den Händlern Schwierigkeiten. Viele befürchten, dass einige Läden völlig schließen werden. Geöffnet ist in diesen Tagen die evangelische Frauenkirche.  Nur wenige Meter von den überschwemmten Straßen und Gassen entfernt wird seit Dienstag dort auch zum Abendgebet eingeladen.

Eine Erfahrung von der Flut im Jahr 2002: In die "Ausspanne" seien damals auch viele Helfer gekommen, um einfach mal für ein paar Minuten durchzuatmen und sich zu sammeln, erzählt Pfarrer Oehler. Ein junger Mann habe ihn daraufhin jetzt auf der Straße angesprochen und gefragt: "Macht ihr das wieder?" Ja, sie machen, bis auf weiteres, täglich um 20.30 Uhr.