Luther-Botschafterin: Mit Antisemitismus in der Kirche auseinandersetzen

Luther-Botschafterin: Mit Antisemitismus in der Kirche auseinandersetzen
Die evangelische Luther-Botschafterin Margot Käßmann hat ihre Kirche zur Auseinandersetzung mit Judenfeindlichkeit in den eigenen Reihen aufgefordert.

Trotz eines neuen Bewusstseins und der Überwindung des Antijudaismus in den Kirchen komme Antisemitismus "auf erschreckende Weise immer wieder zum Vorschein", schrieb die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Samstagsausgabe).

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Es gehe darum, immer wieder aktiv aufzustehen für eine "Toleranz, die den Namen verdient, weil sie zum Dialog fähig ist und auf Dialog drängt, weil sie Intoleranz nicht toleriert und dabei offen ist für Lernerfahrungen und Horizonterweiterungen", betonte die Theologin zum evangelischen "Jahr der Toleranz".

Käßmann verwies auf die lange "Schuldgeschichte der Kirchen mit den Juden". Auch der späte Luther sei ein erschreckendes Beispiel christlicher Judenfeindschaft gewesen. "Luther vertrat - wie fast alle anderen Reformatoren auch - einen klaren Antisemitismus", schrieb die Botschafterin des EKD-Rates für das Reformationsjubiläum 2017.

Ein Schatten auf der Reformation

Der junge Mann Luther habe noch stereotype Vorwürfe gegen Juden wie etwa den Wucherzins als "Lügendinge" zurückgewiesen und liebloses Verhalten der Christen dafür verantwortlich gemacht, dass die Juden sich nicht bekehrten, so Käßmann. 20 Jahre später habe aber Luther selber in der Schrift "Von den Juden und ihren Lügen" (1543) dazu aufgerufen, ihre Synagogen und Häuser "mit Feuer an(zu)stecken", ihre Häuser zu "zerstören" und sie "wie die Zigeuner in einen Stall (zu) tun".

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"Diese Sätze werfen auf Luther und seine Reformation einen Schatten und sollten die Kirche, die sich nach ihm benannte, auf einen entsetzlichen Irrweg führen", resümierte die Luther-Botschafterin. Die Schrift sei später oft für Ausgrenzung und Diskriminierung der Juden missbraucht worden, auch von den Nationalsozialisten. Aus heutiger Perspektive sei Luthers Haltung in dieser Frage "unverantwortlich", betonte Käßmann. Ein respektvoller Dialog der Religionen sei die notwendige Basis für ein friedliches Zusammenleben.  

Bis zum 500. Reformationsjubiläum (2017) hat die EKD über eine Dekade hinweg jedes Jahr einem bestimmten Thema gewidmet. In diesem Jahr steht die Toleranz im Fokus.