Größter Prozess wegen Diktaturverbrechen in Argentinien

Größter Prozess wegen Diktaturverbrechen in Argentinien
In Argentinien hat der bisher größte Prozess gegen Militärs wegen Verbrechen der Diktatur (1976-1983) begonnen.

Vor dem fünften Bundesgericht in der Hauptstadt Buenos Aires müssen sich seit Mittwoch 68 Angeklagte wegen Entführung, Folter und Verschwindenlassen von Personen verantworten. Verhandelt werden die Verbrechen an 798 Diktaturopfern. Die Taten nahmen ihren Ausgang in der Marine-Mechanikerschule in Buenos Aires, die in ein geheimes Folterlager verwandelt worden war. Unter den Opfern sind auch zwei ermordete französische Nonnen.

Vor Gericht stehen erstmals acht Piloten der sogenannten Todesflüge. Dabei wurden Gefangene aus Flugzeugen und Hubschraubern in den Río de la Plata oder ins offene Meer geworfen. Während des Prozesses sollen rund 900 Zeugen gehört werden, die Verhandlungsdauer ist auf 24 Monate angesetzt. Abermals müssen sich der als "blonder Todesengel" berüchtigte Ex-Kapitänleutnant Alfredo Astiz und der frühere Korvettenkapitän Jorge Acosta verantworten. Beide wurden im Oktober 2011 in einem anderen Prozess im Zusammenhang mit dem geheimen Folterlager zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die ehemalige Mechanikerschule der Marine ist heute eine Gedenkstätte. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass dort mehr als 5.000 Menschen gefoltert wurden, die später zu den verschwundenen Opfern der Diktatur zählten. Der am Mittwoch begonnene Prozess wurde möglich, nachdem im Juni 2005 der Oberste Gerichtshof die Aufhebung der Amnestiegesetze bestätigt und damit den Weg für die juristische Aufarbeitung der Diktaturverbrechen frei gemacht hatte.

Das Militär hatte am 24. März 1976 die Macht übernommen. Während der bis 1983 dauernden Diktatur wurden nach einem offiziellen Bericht über 10.000 Menschen entführt und ermordet. Menschenrechtsorganisationen sprechen von 30.000 Opfern. Darunter sind viele "Verschwundene", deren Schicksal unklar ist. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurde seit Aufhebung der Amnestiegesetze gegen insgesamt 1.943 Personen ermittelt. 302 Angeklagte wurden inzwischen zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt, 24 wurden freigesprochen. Derzeit laufen 296 Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren. 759 Angeklagte befinden sich in Untersuchungshaft.