TV-Tipp: "Tatort: Das Wunder von Wolbeck" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Das Wunder von Wolbeck" (ARD)
TV-Tipp: "Tatort: Das Wunder von Wolbeck", 25. November, 20.15 im Ersten
Thiel muss eine Verfolgungsjagd unsanft beenden und später kann Boerne nicht verhindern, dass eine Ziege namens Mimi wichtiges Beweismaterial frisst.

Als die ARD im Herbst 2010 die Parole "Crime and Smile" ausgab, um den Vorabend zu retten, erhoffte man sich von der bemüht modern klingenden Faustformel vergnügliche Krimiserien und tolle Quoten. Schließlich erreichte das Vorbild, die "Tatort"-Filme aus Münster, seit Jahr und Tag regelmäßig rund zehn Millionen Zuschauer. Das Vorabendkonzept wurde später in "Heiter bis tödlich" umgetauft, erfüllte die Erwartungen aber vor allem quantitativ trotzdem nicht. Thiel und Boerne jedoch, das seltsame Paar aus Münster, lösen ihre Fälle seit mittlerweile zehn Jahren. Abnutzungserscheinungen? Fehlanzeige.


Der Erfolg des ungleichen und von Axel Prahl und Jan Josef Liefers nach wie vor mitreißend verkörperten Paares missfällt nur jenen, die vom Sonntagskrimi in erster Linie spannende Unterhaltung erwarten.

Eine Ziege namens Mimi

Der Jubiläumsfall, "Das Wunder von Wolbeck", wird diesen Zuschauern noch weniger gefallen, denn der Humor fällt diesmal zuweilen ungewohnt deftig aus. Der feuchte Furz eines Zuchtbullen, der ausgerechnet den pingeligen Boerne von Kopf bis Fuß mit braunen Spritzern dekoriert, mag in einem "Tatort" tatsächlich etwas deplatziert wirken. Aber nur, wenn man die Szene aus dem Zusammenhang reißt. Im Rahmen der Handlung jedoch ist dieser mittlere Sturm, der dem Verdauungstrakt des Tiers entfleucht, nur der Höhepunkt einer ganzen Reihe von Missgeschicken, die beiden Helden widerfahren.

Zunächst trifft es Thiel, der eine Verfolgungsjagd recht unsanft beenden muss, und später kann Boerne nicht verhindern, dass eine Ziege namens Mimi wichtiges Beweismaterial frisst. Da hilft auch keine Notoperation mehr. Dafür schließt Boerne eine Freundschaft, die fast wie eine Hommage an die Schaf-Episode aus dem Woody-Allen-Klassiker "Was Sie schon immer über Sex wissen wollten" wirkt.

###mehr-info### Wer diese Begebenheiten gerade für einen "Tatort" eher grotesk findet, liegt völlig richtig, denn genau dies schwebte Regisseur Matthias Tiefenbacher vor, als er das Drehbuch von Wolfgang Stauch gelesen hat. Und so hat er die Vorlage auch umgesetzt. Da die Geschichte vor den Toren Münsters auf dem Land spielt, sind die Einheimischen einem ungeschriebenen Krimigesetz zufolge Hinterwäldler, die ihre Begriffsstutzigkeit durch Bauernschläue ausgleichen. Prototypisch für diese Art der Figurenzeichnung sind drei Brüder (verkörpert von Johannes Rotter, Jan-Peter Kampwirth und Mirco Reseg), die großartiges Potenzial für eine Serie hätten.

Kein Wunder, dass der Film seine eigentliche Handlung mitunter aus den Augen verliert: Heilpraktiker Lembeck, der ungewollt kinderlosen Frauen von nah und fern zu Nachwuchs verholfen hat, ist nach einem Schlag unglücklich gestürzt und verblutet. Kandidaten für den Totschlag gibt es zuhauf, denn wie sich rausstellt, hat der Heiler keineswegs Wunder vollbracht, sondern mit gesundem Sperma nachgeholfen. Spender waren die drei Brüder, deren Stammbaum sich nun in alle Welt verzweigt. Beim Kuckuckskind von Nachbar Kintrup (Stephan Kampwirth) aber hat Lembeck höchst selbst Hand angelegt - wenn das kein Motiv ist.

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Die Geschichte würde vermutlich auch ohne die Verbalduelle der beiden Hauptfiguren funktionieren, aber dann wäre sie nur halb so witzig. Tiefenbacher weiß selbst, dass diese Form der Würze heikel ist, denn "wie wir alle wissen, ist Humor nicht mehrheitsfähig". Tatsächlich überstrahlt die Hassliebe zwischen dem Kommissar und dem Rechtsmediziner auch dank der Darsteller alles andere. Nebenfiguren werden zu Stichwortgebern, die durch  Country-Musik zusätzlich ironisierte Handlung mitunter zur Nummernrevue. Aber dem Vergnügen tut das keinen Abbruch. Und wenn Thiel der polnischen Frau des Nachbarn Kintrup den einzigen Satz vorträgt, den er auf Polnisch kann, weiß man, dass die Stierattacke auf Boerne kein Zufall war: "Vorsicht, ich habe Winde im Bauch."