Historiker kritisiert protestantische Geschichtsschreibung

Historiker kritisiert protestantische Geschichtsschreibung
Mit Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 hat der Bochumer Historiker Lucian Hölscher vor einer Überhöhung der Figur Martin Luthers gewarnt.

Es werde so getan, als ob die moderne Welt aus lutherischen und reformierten Ursprüngen hervorgegangen sei, sagte der Kirchenforscher der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). "Da sehe ich die Gefahr, dass man die protestantische Sicht mit historischen Fakten gleichsetzt."

Unter anderem verwies er darauf, dass weder das Bildungswesen noch die Menschen- und Bürgerrechte ausschließlich protestantische Wurzeln haben. "Die durch den Katholizismus, das Judentum und die Säkularisierung bedingten Modernisierungseffekte werden zu stark ausgeblendet", sagte der Historiker zu der von der Evangelischen Kirchen in Deutschland ausgerufenen Lutherdekade.

Hölscher bezeichnete Luther als eine "mittelalterliche Übergangsfigur". Insbesondere kritisierte er die protestantische Geschichtsschreibung, die die moderne Welt mit Luther beginnen lässt: "Doch weder die demokratische Kirchenleitung noch die Abschaffung des Beichtstuhls gehen auf den Reformator zurück", sagte der Kirchenforscher.