Heftiger Streit um Meeresschutz vor Rio-Konferenz

Heftiger Streit um Meeresschutz vor Rio-Konferenz
Die Fronten sind verhärtet. Auf dem "Rio+20"-Gipfel setzen sich die Europäer für einen Schutz der Ozeane ein - doch Länder, die dort nach Öl bohren wollen, stellen sich dagegen.

Ein heftiger Streit über den Schutz der Meere könnte eine gemeinsame Abschlusserklärung der "Rio+20"-Konferenz verhindern. "Der Gipfel steht auf der Kippe", sagte Jürgen Reichel vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) dem epd am Dienstag in Rio de Janeiro. Die Europäer fühlten sich von Brasilien düpiert. Die USA und Venezuela stellten sich nach Angaben aus Teilnehmerkreisen gegen einen von der EU befürworteten Fahrplan zum Schutz der Ozeane. Daraufhin hätten die brasilianischen Verhandlungsführer den Passus aus der geplanten gemeinsamen Erklärung gestrichen.

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"Es kam zu dramatischen Szenen am Rand der Verhandlungen", sagte Martin Kaiser von Greenpeace dem epd. In der Nacht auf Dienstag habe es in den Fluren heftige Wortgefechte gegeben, weil viele Staaten Schutzgebiete auf hoher See einrichten wollten. Der Greenpeace-Sprecher äußerte scharfe Kritik am Gastgeberland des Gipfels. "Brasilien versucht, auf Teufel komm raus, Kompromisse zu erzielen, ganz egal, was die Inhalte sind." Die Europäische Union müsse dem entschieden entgegentreten. Mehrere Länder, unter ihnen Brasilien, wollen mit Tiefseebohrungen Erdöl und andere Rohstoffe gewinnen.

An diesem Mittwoch werden zum offiziellen Gipfel mehr als 100 Staats- und Regierungschefs erwartet. Die Verhandlungen über die Schlusserklärung sollten schon längst beendet sein. Hauptstreitpunkte unter den 190 Teilnehmerstaaten sind neben dem Schutz der Ozeane das Umsteuern auf eine "Green Economy" und die Aufwertung der UN-Umweltinstitutionen.

"Eine Reihe von Staaten blockiert"

Hilfswerke und Umweltorganisationen warnten vor zu hohen Erwartungen an den Gipfel, der am Freitag endet. Es werde so gut wie nichts besonderes dabei herauskommen, sagte der Vertreter des katholischen Hilfswerks Misereor, Benjamin Luig, am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Eine Reihe von Staaten blockiere schlicht. Das Ergebnis der Konferenz "werden sehr allgemeine Erklärungen sein, die völlig unverbindlich sind".

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) befürchtet gar ein Zurückfallen hinter bisherige Vereinbarungen. "Wird die Abschlusserklärung in ihrer jetzigen Form verabschiedet, kommt dies einer Bankrotterklärung für den Rio-Prozess gleich." Deutschland und die EU müssten in diesem Fall die Stimme verweigern. Der Rio-Prozess begann mit dem "Erdgipfel" von 1992, der wichtige Klima- und Artenschutzabkommen auf den Weg brachte und den Begriff der Nachhaltigkeit ins Bewusstsein der internationalen Gemeinschaft rückte.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstagsausgabe): "Ich hoffe, dass die Konferenz die Notwendigkeit des Umdenkens erkennt." Allerdings würden die Fragen nachhaltiger Entwicklung derzeit von "jeder Menge anderer krisenhafter Entwicklungen" überlagert.