Muslime beurteilen Berichterstattung über den Islam als einseitig

dpa, Fotograf: Uwe Zucchi
In Deutschland bekennt sich jeder 20. Einwohner zum Islam - und die meisten fühlen sich in den Medien einseitig dargestellt.
Muslime beurteilen Berichterstattung über den Islam als einseitig
Kopftuchzwang und Terrorismus: Um Muslime geht es in den Medien oft nur bei Skandalen und Sicherheitsrisiken. Bei den Muslimen selbst schürt dies Ängste. Ihre Hoffnung in die aufklärerische Kraft der Medien haben sie aber noch nicht verloren.

Deutsche und britische Muslime empfinden die Darstellung des Islam in großen Medien einer Studie zufolge als einseitig. Die große Mehrheit der Muslime meine, dass sich große Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen nicht für ihre tatsächlichen Interessen und Bedürfnisse interessierten, heißt es in der Studie "Muslime in der Europäischen Medienlandschaft", die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Bevölkerung und Medien in Deutschland hätten den Islam noch nicht als gesamtgesellschaftliche Realität integriert, resümiert der an der Studie beteiligte Konfliktforscher Andreas Zick.

Der Bericht wurde von Wissenschaftlern des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld sowie Forschern der Keele University in Großbritannien erstellt. Gefördert wurde das Forschungsprojekt von der Vodafone Stiftung und dem British Council. Das Wissenschaftler-Team befragte Medienkonsumenten und -produzenten sowie Journalisten in ausführlichen Interviews und in Gruppen. Außerdem wurde eine nicht-repräsentative Online-Befragung zu dem Thema gestartet.

Muslime fühlen sich durch stereotype Darstellungen bedroht

Im Ergebnis fand sich die überwiegende Mehrheit der Muslime nicht von den großen Medien repräsentiert. Vielmehr sorgten häufige stereotype Darstellungen von Muslimen, Debatten über Islamfeindlichkeit und Skandalisierungen wie in der Sarrazin-Debatte dafür, dass sich viele Muslime bedroht fühlten, sagte Zick.

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"Muslime vor allem in Deutschland unterstellen den großen Medien Unfairness", erklärte Zick. Fast drei Viertel der Befragten fanden, dass der Islam von den Mainstream-Medien "respektlos" behandelt werde. Die Teilnehmer der Studie nutzten daher oft Spartenmedien, um die Sichtweise der etablierten Medien zu ergänzen und zu hinterfragen. Dazu gehören Magazine, Fernsehsender oder Online-Medien, die in der Muttersprache der Migranten oder über deren Herkunftsregion berichten.

Auch das Bedürfnis, über das Heimatland der Eltern oder Großeltern informiert zu sein, und die Sicherheit, in den Spartenmedien nicht auf "unschickliche" Darstellungen von Sexualität zu stoßen, spielten bei der Nutzung von Spartenmedien eine Rolle. Als alleinige Informationsquelle werden sie aber nur von einer Minderheit (13,4 Prozent) der Muslime genutzt. Eine mediale Parallelwelt entstehe nicht, schlussfolgern die Autoren.

Ausgewogene Berichterstattung könnte Zusammenleben verbessern

Der Studie zufolge schätzen auch Nicht-Muslime die Darstellung des Islam als überwiegend negativ ein. Selbst Journalisten räumten in Interviews ein, dass das Bild der Muslime teilweise von einseitigen Zuschreibungen und extremen Stimmen radikaler Muslime geprägt sei.

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Zugleich wüssten Medienmacher aber genau, wie das Problem zu beheben sei, sagte Zick. Unter anderem sprachen sich Journalisten in Interviews dafür aus, mehr Kollegen zu gewinnen, die muslimisch sind oder durch kulturelle Prägung mehr Wissen darüber haben. Zudem wurde gefordert, Muslime selbst häufiger in Beiträgen oder Sendungen zu Wort kommen zu lassen.

Trotz der großen Skepsis gegenüber den Mainstream-Medien haben Muslime das Vertrauen in sie laut Studie nicht ganz verloren und schreiben ihnen einen großen Einfluss zu. Fast alle Befragten äußerten in der Studie die Hoffnung, dass eine ausgewogenere Berichterstattung die Beziehung von Muslimen und Nicht-Muslimen verbessern könnte.