TV-Tipp: Tatort: Ein guter Tag / Schwarzer Schnee

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21. Dezember, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: Tatort: Ein guter Tag / Schwarzer Schnee
Als Friedrich Nietzsche 1886 seine moralphilosophische Abhandlung "Jenseits von Gut und Böse" veröffentlichte, dürfte ihm das Modell einer verdeckten Ermittlung völlig fremd gewesen sein. Eins seiner berühmtesten Aphorismen aus diesem Werk passt allerdings perfekt, schließlich müssen sich die verdeckt ermittelnden Personen bis zur Unkenntlichkeit in die kriminelle Umgebung integrieren: "Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein."

Ob Carsten Kellmann (Andrei Viorel Tacu) das Zitat kennt, sei dahingestellt, aber die Wandlung, die der LKA-Beamte durchläuft, ist in der Tat ungeheuerlich: Er hat sein Alter Ego Joe Glauning derart verinnerlicht, dass es zu einer eigenen Persönlichkeit geworden ist. Für die Rolle, die er spielen soll, ist das natürlich äußerst hilfreich; aber im Grunde ist der Mann ein Fall für die Psychiatrie, in der er schließlich tatsächlich landet.

Schon allein dieser erzählerische Ansatz ist interessant. Hinzu kommt der Hintergrund: In seiner letzten Botschaft an seinen Führungsbeamten kündigte Kellmann, der eigentlich schon abgezogen werden sollte, weil er keine verwertbaren Ergebnisse lieferte, ein Ereignis von enormer Tragweite an.

Tatsächlich will ein holländischer Drogenhändler offenbar in großem Stil den deutschen Markt erobern. Und schließlich bekommt Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) einen neuen Partner. Auf den Tod von Julia Grosz (Januar 2024) folgte das Klostersolo "Schweigen" (Dezember 2024), anschließend erhielt der Bundespolizist in dem KI-Krimi "Im Wahn" (Frühjahr 2025) Unterstützung von zwei Kolleginnen (Peri Baumeister, Florence Kasumba). 

In den letzten Jahren hat die ARD bei neuen "Tatort"-Teams stets auf Ausgewogenheit geachtet; rein männliche besetzte Duos (München, Köln, Münster) galten als Auslaufmodell. Sonderlich originell ist das Rollenprofil des Neuen auf den ersten Blick ebenfalls nicht.

Mario Schmitt ist Cybercrime-Spezialist und etwas speziell: brillant in seinem Fachgebiet, aber im wirklichen Leben weltfremd, weshalb sich die holländische Kollegin bei Falke erkundigt, ob er Autist sei. Denis Moschitto verkörpert den IT-Experten allerdings sehr sympathisch, zumal er mitunter wie ein großes Kind wirkt: Einerseits weist er Falke auf der Autobahn aufs Tempolimit hin, andererseits nimmt er es mit den Regeln nicht so genau, wenn’s der Wahrheitsfindung dient. Wie sich die beiden Kollegen einander annähern, ist ebenso schön erzählt wie gespielt.

Das Drehbuch stammt von "Unter Verdacht"-Schöpfer Alexander Adolph und Eva Wehrum; gemeinsam haben die beiden unter anderem die ZDF-Reihe "München Mord" entwickelt. 

Mindestens genauso reizvoll ist die Dritte im Bunde, daher ist es bedauerlich, dass die Mitwirkung von Gaite Jansen wohl ein einmaliges Gastspiel bleiben wird. Die niederländische Kommissarin Lynn de Baer kommt ins Spiel, als ein deutscher Autohändler aus seinem holländischen Feriendomizil entführt wird. Da haben Falke und Schmitt allerdings noch keine Ahnung, dass es sich bei dem Mann um den Kollegen Kellmann handelt, der in Emden auf den lokalen Drogenhändler Zoric (Sascha Geršak) angesetzt worden ist.

Als Zorics Dealer ermordet werden, erkennt die Polizistin die Handschrift jenes Drogenbosses, den sie selbst vor 18 Monaten mit ihrem Team verhaftet hat. Anscheinend hat er einen Nachfolger gefunden, und tatsächlich schickt sich der Junior an, die Macht zu übernehmen, dabei ist Karim Saidi (Yasin El Harrouk) eigentlich ein erfolgreicher Rapper; das Kostümbild hatte sicher große Freude bei der Zusammenstellung seiner extravaganten Kleidung. 

Die Figuren und die ständigen Schauplatzwechsel zwischen Holland und Deutschland können jedoch nicht kaschieren, dass der Doppel-"Tatort" mit 180 Minuten viel zu lang geraten ist. Zwischendurch kommt es einige Male zu erheblichen Spannungsabfällen. Grimme-Preisträger Hans Steinbichler ("Hierankel", 2006) hat einige herausragende Filme gedreht, darunter "Landauer - Der Präsident" (2014, über den jüdischen Vereinsboss des FC Bayern) oder "Das Tagebuch der Anne Frank (2016), aber seine Krimi-Meriten sind überschaubar; "Ein guter Tag" / "Schwarzer Schnee" ist sein "Tatort"-Debüt.

Bemerkenswert ist allerdings die Bildgestaltung, zumal Alexander Fischerkoesen mit "kleinem Besteck" gedreht hat, also ohne Schienen, sorgfältige Ausleuchtung oder ähnlichen Aufwand, sondern nur mit einer Handkamera; für Fahrten hat er sein Arbeitsgerät schlicht auf einem Skateboard deponiert. Die ARD zeigt beide Filme hintereinander.