Von besinnlicher Adventsstille sind die Berchtesgadener für 15 Minuten an sieben Tagen kurz vor Weihnachten weit entfernt. Dann dröhnen und donnern die Böllerschüsse der Weihnachtsschützen durch das ganze Tal. Aber Ohren zu halten will sich hier keiner. Die Menschen begrüßen den Krach, ist er doch für sie ein eindeutiges Zeichen: Der Retter ist nah!
In Reih und Glied, allesamt in der vorgeschriebenen Tracht, stehen die Männer da und warten auf das "Feuer frei " Kommando ihres Schützenmeisters. Zeitgleich läuten dazu im Hintergrund die evangelischen und katholischen Kirchenglocken. Lauter kann Ökumene kaum gelebt werden.
Doch warum böllern die deutschlandweit einzigartigen Weihnachtsschützen gerade an diesen Tagen? Der christliche Brauch kann bis ins Jahr 1666 urkundlich zurückverfolgt werden. Die Schützen begleiten mit ihren Schüssen mit die "O-Antiphonen" der katholischen Kirche. Dahinter verbergen sich die sieben Anrufungen des Messias, die in der Woche vor Weihnachten (vom 17. bis 23. Dezember) in der Liturgie, besonders in der Vesper, gesungen werden. Sie beginnen alle mit dem lateinischen Ausruf "O". Auch während der Wandlung fallen Schüsse: drei beim Brot, drei beim Wein. So alt der Brauch, so modern wird der Zeitpunkt zum Abschuss heute koordiniert. Ein "Spion" in der Kirche gibt das Signal über einen Messenger bekannt.
Die 17 Vereine mit rund 3.300 Mitgliedern sind ein fester Bestandteil des Berchtesgadener Lebens. Selbst in der NS-Zeit schossen die Weihnachtsschützen weiter, trotz Verboten. Heute wächst die Gemeinschaft stetig, mit 60 bis 80 neuen Mitgliedern jährlich. Frauen sind zwar theoretisch willkommen, haben sich aber noch nie gemeldet. "Theoretisch möglich", schmunzelt Schützenmeister Thomas Holm, "aber ausprobiert hat es noch keine." "Weihnachten ohne die Schützen? Unvorstellbar!", sagt Bürgermeister Franz Rasp in einem Interview mit dem epd, selbst leidenschaftlicher Weihnachtsschütze.



