TV-Tipp: "Prange – Man ist ja Nachbar"

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10. Dezember, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Prange – Man ist ja Nachbar"
Regie führte Lars Jessen, gleichfalls Grimme-Preisträger ("Für immer Sommer 90", 2020, ARD), der es gemeinsam mit Kameramann Kristian Leschner geschickt vermieden hat, dass "Prange – Man ist ja Nachbar" wie ein Kammerspiel wirkt.

Geschichten über Menschen in der Großstadt handeln oft von Einsamkeit, und vermutlich ist auch Ralf Prange ein wenig einsam, selbst wenn er sich das nicht eingestehen würde. Womöglich ist dieser Mann tief in seinem Herzen auch ein guter Mensch, aber das weiß er ebenso geschickt zu verbergen, denn Prange ist leicht entflammbar: Hinter der Fassade des spießigen Kleinbürgers verbirgt sich ein eindrucksvolles Empörungspotenzial, weshalb sein Aggregatzustand jederzeit von scheinbarer Gelassenheit unter Auslassung sämtlicher Zwischenstufen in lautstark geäußerte Wut umschlagen kann.

Ist das eine Rolle wie geschaffen für Bjarne Mädel, den dreifach mit dem Grimme-Preis und Dutzenden weiterer Auszeichnungen dekorierten Schauspieler, der im Grunde ein Topstar ist, auch wenn er womöglich gar nicht so wahrgenommen werden will? Die Frage lässt sich eindeutig mit Ja beantworten, zumal Andreas Altenburg, Autor des Drehbuchs zu "Prange – Man ist ja Nachbar" wie auch der 2021 erschienenen Romanvorlage Mädel bereits vor Augen hatte, als er die Geschichte schrieb; selbst wenn er damals noch gar nicht an eine mögliche Verfilmung dachte.

Davon abgesehen ziehen sich solche Figuren gerade in den Serien wie ein roter Faden durch Mädels Filmografie: vom gemobbten Versicherungsmitarbeiter Ernie Heisterkamp in "Stromberg" (2004 bis 2012, ProSieben) über den etwas begriffsstutzigen Provinzpolizisten in "Mord mit Aussicht" (2008 bis 2014, WDR) bis zum leicht schluffigen Schotty in "Der Tatortreiniger" (2011 bis 2018, NDR).

Ein direkter Vorfahr Pranges ist auch Rüdiger Bunz, Titelfigur der zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratenen ProSieben-Serie "Der kleine Mann" (2009, ProSieben): Der Elektroverkäufer wurde zur Werbefigur für einen Schnaps erkoren, weil er den perfekten Durchschnitt verkörperte. Bunz selbst fühlte sich allerdings ganz und gar nicht durchschnittlich, und das gilt vermutlich auch für Ralf Prange.

Der Frührentner, Mitte Fünfzig, lebt im Hochparterre eines dieser typischen Backsteinmietshäuser im Hamburger Stadtteil Barmbek, und spielt sich gern als eine Art Hausmeister auf: Fahrräder im Treppenhaus zum Beispiel empfindet er als "schleichende Wohnraumerweiterung", außerdem hat er ein wachsames Auge auf die Mülltonnen vor der Haustür. Der Rest der Hausgemeinschaft hält ihn für einen Sonderling, was sicher nicht völlig verkehrt ist. Ins Gesicht sagt ihm das jedoch allenfalls Horst, der Mieter gegenüber (Olli Dittrich), der den lieben Tag offenbar mit dem Ohr an der Wohnungstür verbringt.

Alle anderen stehen in Pranges Schuld, denn er ist so etwas wie die Paketannahmestelle des Hauses. Kein Wunder, dass sein einziger Freund Paketbote ist. Seine Wohnung, in der er seine Mutter bis zu deren Tod gepflegt hat, verlässt der Eigenbrötler nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt; und nie im Leben käme er auf die Idee, in Hausschuhen vor die Tür zu gehen.  Das ändert sich, als eines Tages Paketzustellerin Dörte (Katharina Marie Schubert) bei ihm klingelt. Um sie wiederzusehen, bestellt Prange lauter Kram, den er gar nicht braucht. Er sucht sogar unter einem Vorwand den Baumarkt auf, vor dessen Eingang sie immer Mittag macht.

Dörte ist auf andere Art ähnlich verschroben wie er, doch bis sie das tatsächlich beide erkennen, vergehen einige Vorweihnachtswochen voller Missgeschicke, die vordergründig witzig sind, hintergründig aber auch das Zeug zum Beziehungskiller haben: Dörte will nicht schon wieder auf einen "Schnacker" reinfallen ("vorn heiße Luft, hinten nix dahinter"), aber exakt diesen Eindruck erweckt Prange, als er sich großspurig zum Tapetenexperten erklärt und dann peinlich scheitert. Prompt wittert Horst seine Chance und probiert seinerseits, bei Dörte zu landen.

Regie führte Lars Jessen, gleichfalls Grimme-Preisträger ("Für immer Sommer 90", 2020, ARD), der es gemeinsam mit Kameramann Kristian Leschner geschickt vermieden hat, dass "Prange – Man ist ja Nachbar" wie ein Kammerspiel wirkt, obwohl sich weite Teile der Handlung im Treppenhaus oder in Pranges Wohnung zutragen.

Dort findet sich neben Micki (Božidar Kocevski), dem Paketboten, regelmäßig auch Malik ein. Samy Ghariani  hält sich als achtjähriger verzogener Nachbarjunge, der aus unerfindlichen Gründen Zutrauen zum grummeligen Prange gefasst hat, wacker neben den Profis. Schon allein wegen dieser Szenen zu dritt ist der Film sehenswert, von den Hausflurduellen zwischen Mädel und Dittrich, einem Gastauftritt Jan Georg Schüttes als unkooperativem Baumarktverkäufer sowie den famosen Dialogen ganz zu schweigen.