Der Nachbar als Krippenfigur

Aufbau der Krippe im fränkischen Roßtal. Anni Groetner mit der Figur des Gastwirts
epd/Jutta Olschewski
Nah am realen Vorbild: Anni Groetner beim Krippenaufbau mit der Figur des Gastwirts.
Besondere Weihnachtskrippe
Der Nachbar als Krippenfigur
Ein fränkischer Ort wird die Kulisse für die Geburt des Christkinds. Nicht nur die Häuser sind in der beeindruckenden Weihnachtskrippe im fränkischen Roßtal maßstabgetreu kopiert. Auch die Figuren haben echte Vorbilder unter den Bürgern.

"Hat jemand die Margit gesehen? Die Margit fehlt!" Gesucht wird die 15 Zentimeter hohe Frau des Roßtaler Gastwirts in Miniatur. Sie soll neben ihren mit Würsten behangenen genauso großen Mann mit Schnauzbart und Bauch neben das Wirtshaus "Zum Weißen Lamm" gestellt werden. Das Fachwerkhaus ist Teil der Krippe der fränkischen Marktgemeinde Roßtal. Der Markt in Miniatur mit Kirche und Friedhof, Torhaus, Heimatmuseum, Schloss und vielen anderen Gebäuden steht im Advent in der Kirche St. Laurentius unter der Empore neben dem Chorraum.

"Das ist ein wichtiges Ereignis, im Ort warten sie schon drauf", sagt Künstlerin Sabine Schwarz, die ein wenig die Regie führt beim Krippenbau. Sie selbst kann am Tag vor dem Aufbau kaum schlafen, weil sie dauernd an das große Projekt denken muss, sagt sie. Aber nicht nur für die Roßtaler selbst ist die Krippe eine Attraktion. Etwas Ähnliches finde man weit und breit nirgends, ist sich Pfarrer Jörn Künne sicher.

Noch wächst das Städtchen aus Holz. Die Hände von etwa zehn Frauen setzen die Häuschen auf ein über 20 Quadratmeter großes Podest. Sie positionieren die Figuren aus Modellmasse mit ihren aufwendig geschneiderten Kleidern, gestrickten Trachtenjacken oder authentischen Utensilien in die Gassen und vor die Häuser. Kinder mit Hündchen oder Steckenpferden spielen auf den Wegen, die Gänseliesel bekommt ihren Platz am Teich aus blauem Samt, eine Tortenbäckerin läuft in Richtung Kirche.

Der Dreher und die Bäckerin

Sabine Schwarz erzählt, sie sei zuvor drei Tage lang im Wald gewesen, um kistenweise Moos und Blaubeerkraut, Ginster und Tannenzweige zu holen. Aus dem Garten hat sie abgeblühte Hortensien, Schilfhalme und vom Feld Spargelkraut mitgebracht. Auf Knien vorwärts kriechend, modelliert Gertraud Tresch mit Holzscheiben und Steinen die Krippenlandschaft. Irmgard Riegel ruft nach dem Sandeimer: Beim "Heimatmuseum" streut sie durch ein Küchensieb Sand in den Innenhof.

Die Häuser des Ortes sind maßstabgetreu nachgebildet. Sabine Schwarz rückt sie an den richtigen Platz.

Mittendrin zwischen den typisch fränkischen Gebäuden ist ein offener Holzstadel aufgebaut, der nicht ganz ins Bild passt. In dem Stall stehen Maria und Josef und ein Engel, von hinten nähern sich bereits die drei Heiligen Könige in prächtigen Gewändern. Doch die Krippe selbst ist noch leer. "Das Jesuskind ist noch in der Sakristei", verrät Monika Bauer, "das wird erst am 24. Dezember hineingelegt".

Sie war früher Mesnerin in der Laurentiuskirche und ihr ist die Figur der Bäckerin mit der Torte gewidmet, denn ihre "Schwarzwälder" seien legendär, erzählen die Frauen. Bauer ist die Witwe des Mannes, der in den vergangenen rund 20 Jahren all die Fachwerkhäuser gezimmert und gebastelt hat. Helmut Bauer ist im März im Alter von 83 Jahren gestorben. Sein Foto mit schwarzem Trauerband steht auf einem Tischchen. Es ist viel Wehmut unter den ehrenamtlichen Frauen zu spüren, die nun zum ersten Mal sein Werk ohne ihn aufstellen.

Figuren aus Nürnberg

"Unser Esszimmer und das Wohnzimmer waren oft voll mit seinen Bauteilen", erzählt Witwe Monika. Der gelernte Dreher sei voll in dem Hobby aufgegangen. Zuletzt hat er noch einen "Kerwa-Baum" (Kirchweih-Baum, d.Red.) gebastelt, nachdem ein Kind bemängelt hatte, dass der fehlt. "Da fiel uns das erst auf", sagt Monika Bauer.

Die Figuren zum Roßtaler Gesamtkunstwerk hat die Nürnberger Krippenbauerin Imelda Schulz beigetragen. "Ich bin jedes Jahr begeistert über die vielen verschiedenen Berufe, die hier vorkommen", schwärmt Pfarrer Künne von der Erzieherin oder dem Arzt mit dem Stethoskop um den Hals. Viele der Figuren haben Familien aus dem Ort gespendet. Den Ersatz für die Gänseliesel, die einmal gestohlen wurde, bekam Monika Bauer von der Modellbauerin geschenkt. Jetzt müsste nur noch der Schuster wieder auftauchen, der aus den Bergen von Seidenpapier in diesem Jahr nicht hervorkam. Der Klingelbeutel, den der Mesner beim Aufbau kurzfristig "fallen ließ" ist unter der Kirchenbank gleich wieder aufgetaucht und die Margit ist auch wieder da.

Roßtal en miniature geht seiner Vollendung entgegen. Sabine Schwarz steckt noch ein paar Schilfwedel vor den dunkelblauen Hintergrund: "Es wird jedes Jahr anders und jedes Jahr noch schöner", stellt sie glücklich fest.

Die Laurentiuskirche in Roßtal ist täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet und die Krippe ist noch bis Lichtmeß (2. Februar 2026) zu sehen.