Expertin: Wertschätzend mit Kranken umgehen

Seniorin und  Einrichtungs- und Pflegedienstleiterin des AllgäuStift in der Weihnachtszeit
epd-bild/Hanna Eder
Die Einrichtungs- und Pflegedienstleiterin des AllgäuStift mit Erika J., eine Bewohnerin.
Weihnachten mit Demenzkranken
Expertin: Wertschätzend mit Kranken umgehen
Plätzchen backen, singen und Verwandte an Heiligabend besuchen - die Weihnachtszeit ist voller Traditionen. Für die Angehörigen von Menschen mit Demenz kann es aber auch herausfordernd sein. Zwei Expertinnen geben Tipps für schöne Momente.

Als schöne Freizeitbeschäftigung für Menschen mit Demenz gilt Singen - und es passt auch hervorragend in die Weihnachtszeit. "Es gibt unterschiedliche Demenzerkrankungen, die in verschiedenen Stadien verlaufen, aber mit Singen kann man viele Menschen berühren", sagt Susanne Gittus von der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg. 

Sie habe schon erlebt, dass Betroffene, die sonst nicht mehr an Gesprächen teilnehmen, Lieder aus ihrer Kindheit noch mit allen Strophen können. "Die Gesangsstücke sind im Langzeitgedächtnis abgespeichert, und das ist wirklich ein Phänomen", sagt Gittus. Den Erkrankten seien Stolz und Freude anzusehen.

Gratis-Buch vermittelt "schöne Momente"

Gittus und ihre Kollegin Anna Kiefer haben auf verschiedenen Ebenen mit dem Thema Demenz Erfahrungen gesammelt. Beide koordinieren derzeit für die Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg Betreuungsgruppen und Häusliche Betreuungsdienste. Gittus, die seit vielen Jahren in dem Bereich arbeitet, leitet auch Gesprächskreise für An- und Zugehörige.

Kiefer hat in Heidelberg als Gerontologin promoviert und im vergangenen Jahr das Buch "Schöne Momente pflegender Angehöriger in der Pflege und Begleitung von Menschen mit Demenz" veröffentlicht. Es kann kostenlos im Internet heruntergeladen werden. Auf Basis des Buchs ist auch eine Tagebuchvorlage für pflegende Angehörige entstanden. Sie hilft, belastende Situationen zu bewältigen und positive Momente besser wahrzunehmen. Die Tagebuchvorlage ist seit November bei der Alzheimer Gesellschaft erhältlich.

Überforderung vermeiden

Kiefer sagt, grundsätzlich müsse man immer individuell schauen, welche Aktivitäten und Situationen sich für Erkrankte eignen. Beim Plätzchenbacken könne der eine beispielsweise noch alleine den Teig ausrollen und ausstechen, der andere dekoriere vielleicht nur noch. "Alles ist in Ordnung. Wichtig ist, wertschätzend mit den Betroffenen umzugehen und sie nicht zu überfordern", sagt Kiefer. Denn Über- und Unterforderung führe bei Menschen mit Demenz schnell zu Traurigkeit oder Wut.

Auch bei der Frage, ob man einem Erkrankten einen Ortswechsel für die Feiertage zumuten will, müsse der Einzelfall betrachtet werden. "Man sollte genau abwägen, ob Menschen mit Demenz Freude an einem Ausflug haben", so Gittus. Wenn der Betroffene beispielsweise in einem Pflegeheim lebe und sich dort wohlfühle, könne man dort gemeinsam Weihnachten feiern. "Es muss nicht immer die Häuslichkeit vor dem Tannenbaum sein, gemeinsam Zeit zu verbringen ist wichtig", so Kiefer.

Alte Traditionen neu gestalten

Im Heim könne das etwa bedeuten, das Zimmer gemeinsam zu dekorieren und einen Gottesdienst vor Ort zu besuchen. Familienmitglieder könnten kreativ dabei werden, alte Traditionen neu zu gestalten. "Ich erinnere mich an eine Frau, deren Mann und Mutter waren beide demenziell erkrankt und lebten im Pflegeheim", erzählt Gittus. "Die Tochter hat dann die beiden mit Gänsekeule und Rotkohl im Zimmer ihrer Mutter verwöhnt."

 

Wer Weihnachten mit einem Erkrankten Zuhause feiern will, dem empfehlen die Fachfrauen einen kleineren Rahmen. "Menschen mit Demenz brauchen länger, um Informationen aufzunehmen", so Gittus. Die Großfamilie mit lauten Urenkeln werde schnell zu viel. Besser sei es, nur eine Handvoll Leute für einen Nachmittag einzuladen. "Und wenn der Erkrankte sich nach einer Stunde ins Bett legen will, dann ist das in Ordnung", so Kiefer.

Geschenke müssen persönlich sein

Beim Thema Geschenke raten Gittus und Kiefer: "Hauptsache persönlich!" Gemeinsam verbrachte Zeit, Fotos und Alben eignen sich oder ein selbst gestaltetes Memory mit Familienbildern. Und gerade über ihre Sinne erlebten Menschen mit Demenz noch viel Lebensqualität: "Etwa mit leckerem Essen oder einem Duft, den der Beschenkte schon immer mochte", sagt Gittus.
Oft sei es auch schön, einen Erkrankten bei der Gestaltung von Heiligabend einzubinden. "Vielen bereitet es Freude, die Weihnachtsgeschichte oder ein Gedicht vorzulesen", sagt Kiefer. Das Gefühl, eine Aufgabe zu haben, und sei es nur eine kleine, sei erfüllend.