Der gemeinsame Tod der Kessler-Zwillinge hat eine Debatte über das Thema assistierter Suizid ausgelöst. Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warnte am Mittwoch vor dem "Tod aus den Gelben Seiten", der frühere Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Helmut Frister, forderten eine gesetzliche Regelung. Die Entertainerinnen Alice und Ellen Kessler waren am Montag im Alter von 89 Jahren in Grünwald bei München gestorben. Sie hatten dabei die Dienste der Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) genutzt, wie die Organisation nach dem Tod bekanntgab. Demnach handelte es sich um "assistierten Suizid".
Der Deutsche Caritasverband äußerte sich besorgt zur Berichterstattung über den Tod der Kessler-Zwillinge. Teilweise werde ihr Suizid idealisiert und erscheine fast durchweg als souveräne Entscheidung. "Inwieweit er als Ausdruck von Ausweglosigkeit und Verzweiflung zu werten ist, gegen die das soziale Umfeld hätte etwas tun können, wird kaum gefragt", kritisierte die Caritas.
Ex-Gesundheitsminister Lauterbach sagte der "Rheinischen Post" (Mittwoch), die jetzige Situation erlaube Assistenz beim Suizid, "die ethisch nicht vertretbar ist". Es sei nicht gesichert, "dass Menschen, die diesen Weg gehen, nicht unter psychischen Erkrankungen leiden, die ihre Entscheidungsfähigkeit einschränken". Kommerzielle Angebote in der Suizidassistenz seien nicht ausgeschlossen, kritisierte Lauterbach. Er sei zwar ein Befürworter des assistierten Suizids: "Aber psychische, uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit und die Abwesenheit aller kommerziellen Interessen müssen sichergestellt sein."
Neue Regelung kam bislang nicht zustande
Auch Ethikrats-Vorsitzender Frister sprach sich für eine Regulierung aus. Es gebe derzeit kein Verfahren, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen assistierten Suizid erfüllt seien, sagte er dem Radiosender RBB 24 Inforadio. Es solle eine "Mindestanforderung an eine Überprüfung formuliert werden".
Patientenschützer Brysch warnte im Radiosender Bayern2 vor einer Kommerzialisierung der Sterbehilfe. Der assistierte Suizid - nämlich die jederzeit verfügbare und gegen Geld angebotene Dienstleistung - verändere die Gesellschaft grundsätzlich, sagte Brysch, der von einem "Tod aus den Gelben Seiten" sprach. Es müsse diskutiert werden, ob man dieses Modell in Deutschland wolle. Von einer Pflichtberatung für Sterbewillige halte er nichts, erklärte Brysch. Vielmehr müsse man den Sterbehelfer in den Blick nehmen. "Er hat zu verantworten, dass das alles ohne Einfluss und ohne Druck von außen geschieht."
Die Zahl der Fälle, in denen sich Menschen durch Hilfe von Sterbehilfeorganisationen das Leben nehmen, war seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidassistenz im Jahr 2020 stetig gestiegen. Die Karlsruher Richter hatten damals entschieden, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, sich das Leben zu nehmen und dabei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Es kippte damit ein pauschales Verbot organisierter Suizidassistenz. Eine neue Regelung, die diese Form der Sterbehilfe ermöglicht und zugleich vor Missbrauch schützt, kam seitdem nicht zustande.
Info: Wenn Sie Gedanken an Suizid haben, holen Sie sich bitte Hilfe. Zum Beispiel bei der Telefonseelorge.



