Neuss (epd). Gestiegene Energie- und Lebenshaltungskosten sowie höhere Kreditzinsen hinterlassen im Portmonee von Privatleuten ihre Spuren: Erstmals seit 2018 ist in diesem Jahr die Zahl der Menschen, die ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können, gestiegen, wie aus dem am Freitag in Neuss veröffentlichten Schuldneratlas des Inkassounternehmens Creditreform hervorgeht.
Aktuell gelten 5,67 Millionen Bürger ab 18 Jahren als überschuldet. Das sind 111.000 oder zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Die Überschuldungsquote - der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen in Deutschland - stieg damit gegenüber 2024 um 0,07 Prozentpunkte auf 8,16 Prozent. Höhere Kosten des täglichen Lebens sowie höhere Kreditzinsen überfordern laut Creditreform zunehmend mehr Haushalte. Nach Jahren des „Angst-Sparens“ in der Coronakrise seien zudem die finanziellen Puffer vieler Haushalte inzwischen aufgezehrt, erklärte das Unternehmen.
„Überschuldung ist kein Randphänomen mehr“
Erstmals seit Jahren sind laut dem Bericht wieder alle Bevölkerungsgruppen von Überschuldung betroffen. „Überschuldung ist kein Randphänomen mehr“, sagte der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Patrick-Ludwig Hantzsch: „Wir sehen mittlerweile viele, die eigentlich gut situiert sind, aber ihre finanzielle Belastbarkeit überschätzt haben. Das betrifft zunehmend auch Menschen mit stabilem Einkommen und geregeltem Alltag.“
Gleichwohl sind dem Bericht zufolge vor allem junge, ausgabefreudige Menschen unter 30 und ältere über 60 Jahre überdurchschnittlich von Überschuldung betroffen. Jüngere überspannen ihren finanziellen Spielraum demnach vor allem durch Ratenkredite für Konsum nach dem Modell „jetzt kaufen, später zahlen“. Bei den Älteren stoßen steigende Lebenshaltungskosten auf ein begrenztes Renteneinkommen. Beide Gruppen hätten kaum Spielraum für unvorhergesehene Ausgaben.
„Breite Verschlechterung“ bei privaten Finanzen
Creditreform verwies insgesamt auf die angespannte wirtschaftliche Lage mit vielen Unternehmensinsolvenzen und Stellenabbau auch von gut bezahlten Arbeitsplätzen, während echtes Wachstum in Deutschland immer noch nicht in Sicht sei. Im bisherigen Jahresverlauf kam es in 3,19 Millionen Fällen wegen Überschuldung zu Vollstreckungen, Inkassoverfahren und Haftbefehlen. Das seien 39.000 oder 1,2 Prozent mehr als 2024. Die Zahl der Fälle von anhaltenden Zahlungsproblemen ohne rechtliche Folgen stieg um 72.000 oder drei Prozent auf 2,5 Millionen.
Auch für das kommende Jahr mehr Fälle von Überschuldung erwartet
Creditreform erwartet auch für das kommende Jahr wieder mehr Fälle von Überschuldung. Gründe seien weiter steigende Kreditzinsen, hohe Lebenshaltungskosten sowie ein weiter schwächelnder Arbeitsmarkt. „Die Überschuldung droht wieder ein echtes gesellschaftliches Thema zu werden“, sagte Hantzsch. Ein Novum sei auch, dass die Überschuldung bundesweit zugenommen habe.
Im bundesweiten Vergleich sind allerdings vor allem wirtschaftlich angeschlagene Regionen in Nordrhein-Westfalen betroffen. Von den fünf kreisfreien Städten mit der höchsten Überschuldungsquote liegen mit Gelsenkirchen, Herne und Hagen drei im bevölkerungsreichsten Bundesland. Bundesweiter Spitzenreiter bei der Überschuldungsquote ist Bremerhaven (18,33 Prozent). Die niedrigste Quote hat das bayerische Eichstätt (3,66 Prozent).




