VdK: Arme Menschen werden gegen noch ärmere aufgehetzt

Eine Frau sucht in einem Mülleimer nach Leergut.
Sebastian Kahnert/dpa/Sebastian Kahnert
Für den Sozialverband VdK steht fest: Eine Aushöhlung des Sozialstaats durch Einsparungen führt zu einer immer größer werdenden, sozialen Ungerechtigkeit.
Einsparungen im Sozialen
VdK: Arme Menschen werden gegen noch ärmere aufgehetzt
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, beobachtet laut eigener Aussage mit Entsetzen die Aushöhlung des Sozialstaats.

Wichtige Errungenschaften würden einkassiert, um vermeintlich das Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung zu bedienen, sagt die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, in ihrer Kanzelrede am Sonntag in der evangelischen Erlöserkirche in München-Schwabing. Dabei sei ein zuverlässiger und starker Sozialstaat die beste Erfindung der deutschen Geschichte.

"Wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, erwacht schnell das Misstrauen, es könnten Menschen von sozialen Wohltaten profitieren, die das gar nicht verdient haben", bedauert Bentele, die auch Vorsitzende des VdK-Bayern ist. "De facto münden manche politischen Entscheidungen gerade darin, dass arme Menschen gegen noch ärmere Menschen aufgehetzt werden", sagt sie etwa zur Debatte ums Bürgergeld. Dieses solle das Recht auf Teilhabe sicherstellen. "Schon jetzt ist mehr als fragwürdig, ob dafür die Höhe der Geldleistungen genügt."

Das gesparte Geld werde aber nicht umverteilt, sagt Bentele. "Bestenfalls werden Löcher im Haushalt gestopft - und zwar nur die ganz kleinen Löcher. Richtig was zu holen gäbe es woanders." Mindestens 100 Milliarden Euro mehr könnte der Staat in der Kasse haben, wenn Steuerbetrug wirksam bekämpft würde. Auch mit Blick auf die Barrierefreiheit würden in Bayern bisherige Errungenschaften zurückgefahren, etwa die Pflicht zum barrierefreien Bauen oder Fördertöpfe für den barrierefreien Umbau für pflegebedürftige Menschen.

Rund zwei Millionen Menschen in Bayern lebten mit einer Behinderung. "Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Ausgrenzungen erleben, ist hoch", sagt Bentele. Je mehr Bevölkerungsgruppen aber ausgeschlossen und zurückgelassen würden, desto instabiler werde die Gesellschaft. "Das Gift des Misstrauens wirkt bereits: Wenn Alter mit Armut, Pflegebedürftigkeit mit Vernachlässigung und Einwanderung mit Kriminalität gleichgesetzt wird, kommt der gesamte Staat für viele auf den Prüfstand." Enttäuschte Menschen seien offener für extremistische Positionen.

Seit 1997 lädt die Evangelische Akademie Tutzing zwei Mal im Jahr zur Kanzelrede in die Münchner Erlöserkirche ein. Zu den Rednerinnen und Rednern gehören unter anderem Joachim Gauck, Christian Springer, Charlotte Knobloch, und Abt Johannes Eckert.