Physiker Peik: Zeit ist die am genauesten gemessene Einheit

Physiker Peik: Zeit ist die am genauesten gemessene Einheit
Drei Fragen an den "Vater der Atomuhr"
21.10.2025
epd
epd-Gespräch: Karen Miether

Braunschweig (epd). Der Braunschweiger Physiker Ekkehard Peik gilt als „Vater der Zeit“, denn er forscht, wie sich diese möglichst präzise messen lässt. Peik arbeitet an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig, deren besonders genaue Atomuhren in Deutschland den Takt vorgeben. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläutert er, warum sich die Zeit exakter messen lässt als jede andere Einheit und wozu das überhaupt nötig ist.

Herr Peik, wonach bemisst sich eigentlich die Zeit? Spielen Sonnenaufgang und -untergang oder die Erddrehung dabei eine Rolle?

Ekkehard Peik: Ganz bestimmt hat die Erddrehung, also der scheinbare Tagesgang der Sonne, einen Einfluss auf unser Zeitempfinden, angefangen beim Wach- und Schlafrhythmus. Wer früher nicht nach der Uhr leben musste und von Landwirtschaft lebte, hatte sicherlich im Sommer und im Winter ganz unterschiedliche Phasen der Tagesaktivität. Dieses Argument fällt mir übrigens manchmal auch ein, wenn darüber geklagt wird, wie schwer es fällt oder dass es sogar gesundheitlich riskant ist, mit der einen Stunde Zeitumstellung klarzukommen.

Für die präzise Zeitmessung allerdings hat man sich ab 1967 von der astronomischen Zeitdefinition abgewandt und verlässt sich auf die viel stabileren und genaueren Atomuhren. Schwingungen der Elektronen im Cäsium-Atom bilden seitdem die Basis der Dauer der Zeiteinheit Sekunde und der Zeitmessung. Aber in der Festlegung der Dauer der atomaren Sekunde hat man die Tradition der astronomischen Zeit insoweit mitgenommen, dass der mittlere Sonnentag nach wie vor 24 Stunden mit 86.400 Sekunden hat.

epd: Es gibt unterschiedliche Kalender und unterschiedliche Zeitzonen auf der Welt. Wären auch Abweichungen in den Zeitintervallen möglich?

Peik: Bei den unterschiedlichen Kalendern ging es meist um die Anpassung der Datumszählung an die Dauer des Erdumlaufs um die Sonne von etwa 365,25 Sonnentagen. Da hat der Gregorianische Kalender mit seinen Schaltjahresregeln eine über viele Jahrhunderte stabile Lösung gefunden. Die Zeitzonenregelung mit 24 Zeitzonen, die sich jeweils um eine Stunde unterscheiden, und der Datumsgrenze im wenig bewohnten Pazifik ist ebenfalls eine sehr praktische Lösung. Diese beiden Konventionen stellen sicher, dass der kalendarische Jahreswechsel nicht langsam in den Sommer rutscht, und dass in jeder Zeitzone um 12 Uhr mittags die Sonne hoch am Himmel steht.

epd: Wie genau gehen denn Atomuhren und warum ist diese Präzision überhaupt wichtig?

Peik: Die Cäsium-Atomuhren der PTB, mit denen die Zeitskala der Bundesrepublik realisiert wird, haben eine Genauigkeit auf 16 Dezimalstellen, das entspricht einer möglichen Abweichung von etwa einem Hundertstel einer Milliardstelsekunde pro Tag. Eine gute Quarz-Armbanduhr erreicht eine Unsicherheit von etwa einer Sekunde pro Tag und eine spezielle Quarzuhr in einer stabilen Laborumgebung etwa eine tausendstel. Die Genauigkeit von Atomuhren ist so herausragend, dass Zeit-Intervalle und Frequenzen die am genauesten messbaren Größen in Wissenschaft und Technik überhaupt sind, viel genauer als Längen, Massen oder elektrische Größen.

Diese Genauigkeit ist immer dort wichtig, wo etwas koordiniert werden muss, und das betrifft uns alle. Die Motivation für die Einführung der Zeitzonen im 19. Jahrhundert waren Eisenbahnfahrpläne. Heute sind es Computernetze wie die Cloud oder die Telekommunikation mit dem Standard 5G, die hohe Anforderungen stellen: Wer muss wann senden oder empfangen? Welche Version einer Datei ist die aktuelle, welche ist älter?

Die heute wichtigste Anwendung ist die der Satelliten-Navigationssysteme wie GPS oder Galileo. Die Position des Empfängers wird aus den Laufzeit-Differenzen der Signale von verschiedenen Satelliten und der bekannten Position der Satelliten bestimmt. Ein Fehler von drei Milliardstel Sekunden dabei verursacht einen Positionsfehler von einem Meter. Mit guten Atomuhren schafft man höchste Präzision.