TV-Tipp: "Schule am Meer: Unter einem Dach"

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24. Oktober, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Schule am Meer: Unter einem Dach"
Seit über hundert Kinojahren amüsiert sich das Publikum köstlich, wenn jemand auf einer Bananenschale ausrutscht. Die Konsequenzen des Malheurs sind dagegen eher selten Thema; ein gebrochener Oberschenkelhals zum Beispiel ist nun mal nicht witzig. Dass allerdings auch die Folgen durchaus komisch sein können, beweist Maria Hilbert mit ihrem Drehbuch zur dritten Episode der ARD-Freitagsreihe "Schule am Meer".

Erik Olsen radelt seelenruhig am Meer entlang und schickt seiner Chefin, die ihrerseits mit dem Wagen auf dem Weg zur Flensburger Berufsschule ist, mehrere Sprachnachrichten. Katharina Hendriks ist zunehmend genervt, und weil beide abgelenkt sind, kommt es am Schultor zum fatalen Zusammenstoß zwischen Fahrrad und Auto.

Da die Schulleiterin die größere Schuld an dem Unfall trägt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich um ihren Lehrer zu kümmern: Erik sitzt nun schwer lädiert im Rollstuhl. Weil neben einem Bein auch beide Arme betroffen sind, kann er sich nicht mal alleine entkleiden. Also ziehen beide in sein vorübergehend verwaistes Elternhaus, wo sie sich fortan eine Woche lang nach Kräften gegenseitig auf die Nerven gehen. 

Allein die Vielzahl kleiner Bosheiten, mit denen sich das verkappte Liebespaar in "Unter einem Dach" gegenseitig piesackt, sind ein großes Vergnügen. Die Filme leben auf der horizontalen Ebene ohnehin von den hartnäckig geleugneten Gefühlen zwischen Erik (Oliver Mommsen) und Katharina (Anja Kling):

Er war schon mit 16 in sie verknallt, damals haben sie sich auch mal geküsst; mehr, versichert sie ihrem Mann, sei nie passiert. Bent (Carsten Bjørnlund) ist Däne und wie fast alle Skandinavier in deutschen TV-Produktionen ein ausgesprochen lässiger Typ, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Von seiner Frau lässt sich das nicht sagen: Als Erik es beim Abendessen wieder mal zu weit treibt, schiebt sie ihn samt Rollstuhl kurzerhand auf die Terrasse in den Regen. 

Weil "Schule am Meer" jedoch mehr bieten will als bloß heitere romantische Komödien, konterkariert Hilbert das komische Beziehungsgeplänkel mit dem potenziell tragischen Schicksal eines Jungen, der sich irgendwie durch seine Schuljahre gemogelt hat, aber nun an seine Grenzen stößt.

Wäre der Film ein Krimi, wäre die Spannung rasch verpufft, weil früh klar wird, was die Ursache für Jannes’ Schwierigkeiten ist. Clever kombiniert Hilbert diese Ebene mit einer weiteren Problematik: Die Schule braucht eine neue Küche. Katharina möchte eine Unternehmerin als Sponsorin gewinnen. Die Tochter von Marion Nielsen (Cornelia Dörr) besucht die Wald-Kita, in der Jannes ein Praktikum macht. Die kleine Mathilda ist eine Außenseiterin, er kümmert sich besonders liebevoll um sie.

Die seit der Trennung vom Ehemann alleinerziehende Frau ist im Dauerstress und im Umgang mit dem Kind nicht gerade liebevoll, weshalb das Mädchen schließlich gar nicht mehr nach Hause will. Als Jannes eine entsprechende Bemerkung fallen lässt, ist die Mutter derart erbost über die Anmaßung des Praktikanten, dass sie Katharina ein Ultimatum stellt: entweder Jannes oder die neue Küche. 

Regie führte Miguel Alexandre. Der Grimme-Preisträger ("Grüße aus Kaschmir", 2005) hat nach Mehrteilern wie "Die Frau vom Checkpoint Charlie" (2007), "Die Patin" (2008) oder "Der Mann mit dem Fagott" (2011) viele Jahre mit der Gotland-Reihe "Der Kommissar und das Meer" verbracht; seither übernimmt er regelmäßig auch die Bildgestaltung. Freitagsfilme im "Ersten" sind meist mehr als bloß Zeitvertreibsfernsehen; ungewöhnlich ist dieser Ausflug in gänzlich andere Gefilde trotzdem.

Natürlich weiß Alexandre, wie der Sendeplatz funktioniert: Im Vordergrund sollen die Handlung und die Mitwirkenden stehen. Die Inszenierung ist daher handwerklich hochsolide, aber gänzlich frei von Überraschungen. Ganz ausgezeichnet ist dagegen die Arbeit mit dem Ensemble. Dass Anja Kling und Oliver Mommsen ein klasse Team sind, ist keine neue Erkenntnis, daher ist die Leistung von Noah Kraus als Jannes noch höher einzustufen.

Der immer noch junge Schauspieler war schon vor zehn Jahren als Hauptdarsteller von Matti Geschonneks Sechzigerjahre-Drama "Der verlorene Sohn" (2015) ganz vorzüglich. "Unter einem Dach" beeindruckt vor allem durch die Natürlichkeit seiner Szenen mit der kleinen Paula Sannwald. Ausgerechnet die innige Nähe zwischen Jannes und Mathilda droht dem Praktikanten jedoch zum Verhängnis zu werden: Eine denunzierende Bemerkung ihrer Mutter, und er könnte seinen Berufswunsch vergessen.