Reformierte Christen in buddhistischem Land: Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) kommt Mitte Oktober zu ihrer 27. Generalversammlung in Thailand zusammen. Die Tagung vom 14. bis 23. Oktober in Chiang Mai steht unter dem Motto "Beharrlichkeit im Zeugnis" aus dem biblischen Hebräerbrief.
Zugleich erinnert die internationale reformierte Kirchengemeinschaft an ihr 150-jähriges Bestehen. Nach eigenen Angaben vereint der Verband über 100 Millionen Christinnen und Christen aus mehr als 230 Mitgliedskirchen in 109 Ländern. Sitz des Dachverbandes ist Hannover, zuletzt tagten die Delegierten 2017 in Leipzig.
Vor 20 Jahren sorgte das in Ghana beschlossene Accra-Bekenntnis des damaligen Reformierten Weltbundes für internationale Aufmerksamkeit. Mit ungewöhnlicher Klarheit und auch Schärfe kritisierte das Dokument die globale wirtschaftliche Ungerechtigkeit und ökologische Zerstörung. Das Bekenntnis wurde 2004 von der 24. Generalversammlung in Accra verabschiedet und 2010 bei der Gründung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen offiziell bestätigt.
Das Accra-Bekenntnis von 2004 bezeichnete das globale Wirtschaftssystem als "götzendienerisch und sündhaft". Bei seiner Veröffentlichung war es hochumstritten - galt aber zugleich als prophetisch. Das Accra-Bekenntnis sollte mit Blick auf Klimakrise, soziale Ungleichheit und Kriege ein Weckruf sein. Besonders umstritten war der darin verwendete Begriff "Imperium" (Empire"). Damit ist ein Herrschaftssystem gemeint, das politische, wirtschaftliche, militärische und kulturelle Macht konzentriert - meist in den Händen mächtiger Staaten, transnationaler Konzerne und globaler Eliten.
Dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte der aus Ghana stammende langjährige WGRK-Generalsekretär Setri Nyomi: "Im Laufe der Zeit hat sich die überwiegende Mehrheit der Kirchen dazu bekannt, auch wenn immer wieder Details oder Begriffe kritisch diskutiert werden." Unmittelbar nach der Veröffentlichung habe es sehr viele Rückmeldungen gegeben. "Ein großer Teil davon kam von Kirchen im globalen Süden, die sehr positiv darauf reagierten und betonten, wie wichtig solche Impulse seien. Es gab aber auch kritische Stimmen, vor allem aus dem globalen Norden und aus Europa".
Besonders zwischen 2008 und 2010 - ausgelöst durch die globale Finanzkrise - habe sich die Sichtweise verändert, so Nyomi: "Viele Kirchen, selbst im Norden, kamen auf uns zu und sagten: Ist das nicht das, was ihr vorhergesagt habt?" Auch andere Kirchen haben das Bekenntnis inzwischen übernommen.
Die Mitgliedskirchen der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen haben ihre Wurzeln in der Reformation des 16. Jahrhunderts und insbesondere in der Theologie von Johannes Calvin (1509-1564). Aus Deutschland gehören der WGRK der Reformierte Bund, die Lippische Landeskirche, die Evangelisch-reformierte Kirche sowie die Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen an. Bei den Reformierten herrscht ein striktes Gleichheitsprinzip: Keine Gemeinde und kein Gemeindeglied darf einen Vorrang beanspruchen - die Reformierten kennen daher auch keine Bischöfe in der Kirchenleitung.
Pfarrerin Najla Kassab aus Beirut ist seit 2017 die Präsidentin der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen. Sie stammt aus dem Libanon und hat sich bislang für Bildung und die Ordination von Frauen eingesetzt. Sie löste den südafrikanischen Pfarrer Jerry Pillay ab, den jetzigen Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Auf den langjährigen Generalsekretär Nyomi, der das Amt zurzeit kommissarisch führt, folgt am 1. Februar kommenden Jahres Pfarrer Philip Vinod Peacock aus Indien, die erste Führungspersönlichkeit auf dieser Position aus Asien.
Die 27. Generalversammlung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen findet in einem überwiegend buddhistischen Land statt. Gastgeberin ist die Kirche Christi in Thailand, die von anderen asiatischen Mitgliedskirchen unterstützt wird. Chiang Mai ist eine Großstadt im Norden Thailands und die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz. "Dies ist das zweite Mal, dass wir nach Asien gehen", erinnert Nyomi. 1989 tagten die Reformierten in Südkorea. Auch dort gab es keinen christlichen Mehrheitskontext. Nyomi: "Aber es war eine gute Generalversammlung - daher erwarten wir auch diesmal eine gelungene Versammlung."
Die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen (WGRK) gehört zu den großen protestantischen Vereinigungen. Der internationale Dachverband repräsentiert nach eigenen Angaben rund 100 Millionen Christinnen und Christen in 109 Ländern.
Weitere große Konfessionsfamilien innerhalb des Protestantismus sind etwa die Lutheraner, die Anglikaner, die Methodisten und die Baptisten. Die Gemeinschaft der Reformierten unterstützt mit ihren zurzeit 230 Mitgliedskirchen Aktivitäten in den Bereichen Theologie, soziale Gerechtigkeit, kirchliche Einheit und Mission.
Die Wurzeln der reformierten Kirche liegen in der Schweizer Reformation des 16. Jahrhunderts. Zu ihren Vätern zählen unter anderem die Reformatoren Ulrich Zwingli (1484-1531) aus Zürich und Johannes Calvin (1509-1564), der in Genf wirkte. Beide setzten auf eine radikale - auch soziale - Erneuerung der Kirche. Die Mitgliedskirchen stammen unter anderen auch aus vorreformatorischen Traditionen.
Deutsche Mitglieder der Weltgemeinschaft sind der Reformierte Bund, die Evangelisch-reformierte Kirche mit Sitz im ostfriesischen Leer, die Lippische Landeskirche mit Sitz in Detmold in Nordrhein-Westfalen sowie die Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen.
Höchstes Gremium der Weltgemeinschaft ist die Voll- oder Generalversammlung, die sich etwa alle sieben Jahre trifft. Vom 14. bis 23. Oktober kommt sie im thailändischen Chiang Mai zusammen. Davor tagten die Delegierten 2017 in Leipzig.
In reformierten Kirchengebäuden gibt es in der Regel keine Altäre, keine Kruzifixe und keine Wandmalereien, weil das biblische Gebot "Du sollst dir kein Bildnis machen" sehr ernst genommen wird. Im Mittelpunkt der Gottesdienste steht die Predigt. Zudem herrscht bei den Reformierten ein striktes Gleichheitsprinzip: Keine Gemeinde und kein Gemeindeglied darf einen Vorrang beanspruchen.
In Deutschland wird die Zahl der Reformierten unter den insgesamt rund 18 Millionen Protestanten innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf unter zehn Prozent geschätzt. Sie sind vor allem in Westdeutschland nahe der Grenze zu den Niederlanden verbreitet.
Reformierten Einfluss brachte auch der Zuzug der französischen Hugenotten im 17. Jahrhundert. 2014 hatte die Weltgemeinschaft aus Kostengründen ihren Sitz von Genf nach Hannover verlegt. Dachverband der reformierten Christen in Deutschland ist der Reformierte Bund mit Sitz in Hannover, der etwa 430 reformierte Gemeinden, Synoden und Kirchen vereint.