Am Freitag (3. Oktober) hat das Büro des britischen Premierministers Keir Starmer bekanntgegeben, dass Sarah Mullally die Nachfolgerin von Justin Welby auf dem Bischofsstuhl von Canterbury wird. Damit ist sie die erste Frau im Amt.
Vor fast einem Jahr ist Justin Welby als Erzbischof von Canterbury, dem höchsten geistlichen Amt in der Church of England und der weltweiten Anglican Communion, zurückgetreten. Grund dafür war ein Gutachten zum Missbrauch an Teilnehmern von Sommerlagern, die vom Anwalt John Smyth organisiert wurden. Justin Welby hatte, entgegen der eigenen Darstellung, als er 2013 über die Vorwürfe informiert wurde, diese Vorfälle nicht an die Polizei gemeldet. Nachdem er es erst abgelehnt hatte, als Erzbischof zurückzutreten, gab er nach einer Audienz bei Charles III. am 20. November 2024 bekannt, sein Amt am 6. Januar diesen Jahres niederzulegen.
Nach einem längeren Auswahlprozess durch die Crown Nominations Commission wurde König Charles III., dem Oberhaupt der Church of England, nun die 63-jährige Bischöfin von London, Sarah Mullally vorgeschlagen.
Als Oberhaupt der Anglican Communion (Supreme Governor) liegt das Recht zur Ernennung von Bischöfen beim jeweiligen britischen König oder der Königin, also zur Zeit bei Charles III.
Mullally, die vor ihren Ämtern in der Church of England als Krankenschwester und Chief Nursing Officer for England arbeitete, ist seit 2018 Bischöfin von London. Damit ist sie nach den Erzbischöfen von Canterbury und York die dritthöchste Bischöfin innerhalb der Church of England. Vorher war sie als Bischöfin von Crediton Suffraganbischöfin im Bistum Exeter.
Als Bischöfin von London erhielt sie als Lord Spiritual einen Sitz im House of Lords, dem Oberhaus des britischen Parlaments, und einen Sitz im Privy Council, dem Beratungsgremium des britischen Souveräns.
Nun wird sie nach der offiziellen Wahl durch das Kollegium der Kanoniker, die vermutlich vor Weihnachten stattfinden wird, und der Bestätigung in der St Paul’s Cathedral, ihrem bisherigen Bischofssitz, am 28. Januar 2026 die 105. Nachfolgerin Augustins von Canterbury. Die Amtsübernahme findet dann im März nächsten Jahres in der Kathedrale von Canterbury statt.
Kontroverse Ernennung
Innerhalb der weltweiten Anglican Communion und in der Church of England stieß die Ernennung von Sarah Mullally auch auf Widerspruch. Die konservativ-evangelikale Church Society betonte Mullallys Meinung zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare als Hindernis für die Zusammenarbeit. Die Organisation Foward in Faith, die die Weihe von Frauen ablehnt, erkennt sie jedoch als "wahre und rechtmäßige Amtsinhaberin" an. Auch die Global Fellowship of Confessing Anglicans steht der Ernennung kritisch gegenüber, da die Church of England damit ihre Unfähigkeit zu führen bewiesen habe.
Generell stieß die Tatsache, dass die neue Erzbischöfin von Canterbury weiblich ist, in konservativen Teilkirchen der Anglican Communion auf Widerspruch. Der Erzbischof von Uganda und damit das Oberhaupt der Church of Uganda Samuel Stephen Kaziimba Mugalu, ein bekannter Wortführer innerhalb der konservativen Teilkirchen, betonte aber, dass der Widerstand nichts mit Mullallys Geschlecht, sondern mit ihren Ansichten zu tun habe.
Sara Mullally beschreibt sich selbst als Feministin und wurde in einem Portrait der Financial Times dem liberalen Flügel zugeordnet. Als Bischöfin hat sie sowohl Männer als auch Frauen zu Diakonen und Priestern geweiht. Trotzdem wirbt sie für die Inklusion derjenigen Gemeinden innerhalb der Church of England, die die Frauenordination ablehnen. "Ich habe großen Respekt vor denjenigen, die, aus theologischen Gründen, meine Rolle als Priesterin oder Bischöfin nicht akzeptieren können. Ich glaube, dass die Vielfalt in der Kirche in London sollte gedeihen und wachsen; jeder sollte für sich eine spirituelle Heimat finden können.", sagte Mullally 2018 anlässlich ihrer Ernennung zur Bischöfin von London.
2016 gehörte sie einer bischöflichen Arbeitsgruppe an, die sich mit der Sexualmoral der Church of England befasste. Zum Umgang mit der LGBTQ-Community in der anglikanischen Kirche sagte sie "wir müssen uns bewusst sein, dass es dabei um Menschen geht, und dass die Kirche versucht, allen in Liebe zu begegnen, da sie Gottes Liebe repräsentiert, der alle liebt."
2018 bekannte sie sich zur Lehre zur Ehe der Church of England, wonach die Ehe eine lebenslange Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau ist. Allerdings gab sie 2022 bekannt, dass sie im Bistum London eine Arbeitsgruppe ins Leben rufen werde, die sich um die pastorale Arbeit mit und die bessere Integration von Menschen der LGBTQ-Community in das Leben der Kirche und ihrer Gemeinschaften kümmern solle.
2005 wurde Sarah Mullally von Queen Elizabeth II. zur Dame Commander of the Order of the British Empire ernannt. Damit wurde ihr Beitrag zur Arbeit von Krankenpflegern und Hebammen gewürdigt. Daneben erhielt sie auch mehrere Ehrendoktorwürden, unter anderem von den Universitäten von Bournemouth, Wolverhampton, Hertfordshire, Exeter und Plymouth.