Bücher aus dem Gastland der Buchmesse

Junge philippinische Frau sitzt lesend unter einem Baum in einem tropischen Garten
Getty Images/iStockphoto/baona
Unbekannte Stimmen, große Geschichten: Die Philippinen sind Gastland der Buchmesse.
Blick in die Literatur
Bücher aus dem Gastland der Buchmesse
Die Frankfurter Buchmesse steht kurz bevor. Das Gastland in diesem Jahr sind die Philippinen und die philippinische Literatur ist im deutschsprachigen Raum noch wenig bekannt, obwohl sie viel zu bieten hat. Das Evangelische Literaturportal stellt deswegen in dieser Woche drei Neuerscheinungen philippinischer Autor:innen in deutscher Sprache vor.

Überreste

Reportageartige Erzählung aus den Philippinen um einen Taifun und die Folgen für die Bevölkerung der Stadt Tacloban.

2013 nach dem Supertaifun Haiyan kehrt Ann im Auftrag einer NGO nach Tacloban zurück, um die Folgen zu recherchieren, sie macht sich vor Ort ein Bild von den Zerstörungen. Das totale Chaos in der Stadt wird thematisiert, die problematische gesellschaftliche Wirklichkeit auf den Philippinen wird ebenso widergespiegelt. Ann hatte Tacloban 27 Jahre zuvor mit ihrer Familie überstürzt verlassen, es gab Gerüchte einer Verwicklung ihrer Familie in Verbrechen, es geht u.a. um ein getötetes Mädchen, aber auch die Rolle der Mutter. Die drei Tage sind eine traumatische Erfahrung für Ann, vor allem das unfassbare Leid der Menschen. Für die Überlebenden und Ann gibt es einen Neuanfang. Die Interviews mit Überlebenden der Katastrophe machen das Ganze noch authentischer. Durch die zahllosen Einschübe mit Waray-Ausdrücken ist es nicht einfach zu lesen, im Anhang werden diese allerdings erklärt. Die Personenvielfalt, der Wechsel der Zeitebenen und die eingeschobenen Gespräche erfordern Konzentration.

Insgesamt ein gelungener Klimakatastrophen-Roman, der zugleich die problematische gesellschaftliche Wirklichkeit auf den Philippinen widerspiegelt. Ein wichtiges Diskussionsbuch. Martin Ertz-Schander

Überreste. Roman. Daryll Delgado. Dt. von Gabriele Haefs. Stuttgart: Kröner 2025. 300 S. ; 21 cm. 
Aus d. Engl.
ISBN 978-3-520-63003-2, geb.: 25,00 €

Killing time in a warm place

Szenen aus dem Leben eines philippinischen Regimegegners während der Marcos-Herrschaft.

In seinem autobiographisch geprägten Debütroman von 1992 blickt der bekannte Autor auf die Diktatur unter Präsident Ferdinand Marcos, der ab 1965 regierte und von 1972 bis 1986 die Bevölkerung unterdrückte und das Land ausbeutete. Der Ich-Erzähler Noel Boalong berichtet von seiner Kindheit in Armut auf dem Land. Später geht er zum Studium in die Hauptstadt Manila und wird zu einem linken Revolutionär gegen die extrem korrupte Regierung. Diese hat das Kriegsrecht ausgerufen und foltert ihre Gegner. Auch der sich zu Mao, Marx und Christus bekennende Protagonist landet, wie der Autor, zeitweilig im Gefängnis. Später passt er sich als Mitarbeiter eines Vizeministers an, bliebt aber kritisch und schafft es, einen Freund aus dem Gefängnis zu holen. Der Roman hat keinen völlig klaren Handlungsstrang, es gelingt aber hervorragend, aus ganz persönlicher Sicht zu vermitteln, wie ein Land moralisch und ökonomisch ruiniert wird, wenn ein frei gewählter Präsident in die Autokratie umschwenkt.

Ein authentischer Einblick für alle, die an einer Epoche, die die Philippinen geprägt hat, interessiert sind. Tobias Behnen 

Killing time in a warm place. Ein Roman aus den Philippinen. Jose Dalisay. Dt. von Niko Fröba. Berlin: Transit 2024. 199 S. ; 22 cm. 
Aus d. Engl.
ISBN 978-3-88747-414-0, geb.: 22,00 €

Die Kollaborateure

Eine zeitkritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Philippinen.

1986 herrscht auf den Philippinen der Ausnahmezustand. Gewaltfrei versuchen Demonstranten ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihren Präsidenten Ferdinand Marcos durchzusetzen. In dieser Zeit liegt Carlos Armando im Krankenhaus und sieht seinem Lebensende entgegen. Dies löst in ihm eine umfangreiche Rückblende auf sein Leben aus.

Parallel zu seiner Vita lässt die Autorin die Geschichte ihres Landes Revue passieren. Es wird deutlich, wie sich Carlos jeweils an die gegebenen und sich entwickelnden politischen Umstände anpasst und sich dadurch zu einem dauerhaften Kollaborateur entwickelt. Aus politischer sozialer Überzeugung wird ein Ringen um die eigene finanzielle Sicherheit und den Schutz für das Leben der Familie und der eigenen Person.

Ein ungemein fein verwobener Roman, der ohne historische und politische Kenntnisse über die Philippinen nur schwer verstehbar ist. Macht man sich aber die Mühe zumindest einen Abriss derselben danebenzulegen, liest man dieses Buch mit großem Gewinn. Dirk Purz

Die Kollaborateure. Roman. Katrina Tuvera. Dt. von Jan Karsten. Berlin: Wagenbach 2025. 186 S. ; 22 cm. 
Aus d. Engl.
ISBN 978-3-8031-3380-9, geb.: 22,00 €

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