"Bis auf den Knochen" ist der krönende Abschluss der "Passau-Krimi"-Trilogie, zumal Reihenschöpfer Michael Vershinin und Co-Autor Robert Hummel die Spannung mit großem dramaturgischen Geschick auf drei Ebenen verteilt haben. Der Film beginnt mit dem Mord: Scheinbar willkürlich erwürgt Ottensen auf einem Waldparkplatz eine Spaziergängerin. Als er später im Schutz der Dunkelheit die Leiche vergräbt, ist beiläufig zu sehen, dass ihr ein kleiner Finger fehlt; kurz drauf ziert der Knochen die Kette.
Um Reihenheldin Frederike Bader (Marie Leuenberger) ins Spiel zu bringen, bedient sich Vershinin eines keineswegs unplausiblen Zufalls: Tochter Mia (Nadja Sabersky) ist kürzlich in eine WG gezogen. In einem Biergarten verteilt Mitbewohnerin Tessa (Clara Vogt), eine militante Tierschutzaktivistin, Flyer an die Gäste. Dabei stößt sie versehentlich gegen Ottensamer, der sie prompt beschimpft. Sie will sich revanchieren und ihm den "blutigen Trachtenschmuck" klauen.
Weil sie wegen einer kürzlichen Aktion zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist, übernimmt der verliebte Mitbewohner Franz (Alexander Gaida) den Diebstahl, und nun nehmen die Dinge ihren fatalen Verlauf: Dank der Flyer braucht Ottensamer nicht lange, um die Adresse des Trios rauszufinden. Dort trifft er auf Mia, die er kurzerhand in ein einsam gelegenes Waldhaus entführt, und jetzt wandelt sich der Krimi zumindest moderat zum Thriller.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Vershinins Drehbücher sind in der Regel stets mit großer Sorgfalt verfasst, oft greift ein Rädchen raffiniert ins andere, doch diesmal hat er sich zumindest im Rahmen der Trilogie selbst übertroffen. Dass sich hinter dem Hass des Täters auf "zänkische Weiber" ein Mutterkomplex verbirgt, mag nicht sonderlich originell klingen, sorgt aber dank entsprechender Rückblenden dafür, dass Ottensamer kein blindwütig mordendes Monster ist.
Der Film entschuldigt die Taten nicht, erklärt sie jedoch, und weil Daniel Christensen den wortkargen Mann mit menschlichen Momenten versieht, entsteht tatsächlich so etwas wie Empathie. Davon abgesehen verkörpert der gern und allen voran in den "Eberhofer-Krimis" als komische Figur besetzte Schauspieler den verzottelten Einzelgänger als durchaus finstere Gestalt.
Aller Spannung zum Trotz sorgen Vershinin, Hummel und Regisseur Jan Fehse mit seinem dritten "Passau-Krimi" in Folge zwischendurch für heitere Momente.
So findet beispielsweise Frederikes detektivischer Partner zwischen den Ermittlungen Zeit für zwei amüsante Flirts mit einer Ordnungshüterin (Teresa Rizos); Ferdinand Zankl (Michael Ostrowski) glaubt anfangs ohnehin nicht, dass Mia etwas zugestoßen ist. Die Mutter hingegen ist alarmiert, und nun greift das Drehbuch die Vergangenheit der beiden Frauen auf: Die ehemaligen Kommissarin und ihre Tochter sind vor einigen im Rahmen eines Zeugenschutzprogramms in Passau untergetaucht. Seither haben die beiden die Vereinbarung, jederzeit für die andere erreichbar zu sein.
Innerhalb der äußeren Gegebenheiten erfreut Vershinins Drehbuch vor allem durch Details, die die die Handlung regelmäßig in eine neue Richtung befördern, etwa Ottensamers Vorliebe für eine spezielle Zigarrensorte, sein Engagement in einer Initiative für nachhaltigen Tourismus oder die numismatischen Kenntnisse von Franz. Sehenswert ist "Bis auf den Knochen" erneut auch wegen der Bildgestaltung (Kamera: Kristian Leschner). Diesmal hat zudem die düstere Musik (David Reichelt) großen Anteil Anteil daran, dass der dritte aktuelle "Passau-Krimi" auch der beste ist.