Berlin (epd). Das seit 20 Jahren bestehende Aktionsbündnis Patientensicherheit wirbt für eine andere Fehlerkultur in deutschen Kliniken. „In den vergangenen zwei Jahrzehnten konnten wir viele wertvolle Initiativen anstoßen, wichtige Standards setzen und das Thema Patientensicherheit stärker in den Fokus rücken“, sagte die Vorsitzende Ruth Hecker dem Evangelischen Pressedienst (epd). Allerdings sei die Wirkung häufig nicht nachhaltig genug gewesen, „weil Projekte nach der Pilotphase ausliefen und keine dauerhafte Umsetzung erfolgte“.
Überall, wo Menschen arbeiten, komme es zu Fehlern - auch in Kliniken, sagte Hecker. Doch wie man damit umgehe, sei entscheidend, sagte die Fachärztin für Anästhesiologie. Bei Fehlern, unerwünschte Ereignisse genannt, spiele der sogenannte Human Factor fast immer eine Rolle. „Typische Ursachen sind unzureichende Kommunikation, Stress und Überlastung, Ablenkung und Unaufmerksamkeit, die Nichteinhaltung von Standards oder schlicht fehlendes Wissen.“
Wirklich entscheidend für einen Durchbruch hin zu mehr Patientensicherheit ist der Vorsitzenden zufolge ein gesellschaftlicher Kulturwandel im Umgang mit Fehlern. „Ohne diese Veränderung bleiben Offenheit, Lernen und Verantwortungsübernahme auf Einzelfälle beschränkt.“ Hinzu komme, dass das Gesundheitssystem dringend modernisiert werden müsse. „Im europäischen Vergleich hängen wir trotz hoher Ausgaben zurück, vor allem bei der Digitalisierung.“
Zudem sei die Datenlage bei Behandlungsfehlern schlecht, monierte Hecker: „Wir haben in Deutschland eine erhebliche Dunkelziffer, weil wir an internationalen Studien und Vergleichsuntersuchungen zu diesem Thema oft nicht teilnehmen.“ Ohne solche soliden Grunddaten lasse sich nicht feststellen, wie groß das Problem sei.
„Das bedeutet: Wir wissen eigentlich zu wenig darüber, wie häufig vermeidbare Schäden auftreten“, sagte Hecker. Notwendig sei ein bundesweites, lernorientiertes Berichts- und Meldesystem. Ziel des Bündnisses sei es, einen Nationalen Aktionsplan für Patientensicherheit zu bekommen. Die Weltgesundheitsorganisation habe bereits 2021 einen globalen Plan für Patientensicherheit bis 2030 verabschiedet, dem auch Deutschland beigetreten sei.
Hecker: „Allerdings gibt es bislang keine nationale Umsetzung, keine Übersicht, welche Maßnahmen ergriffen wurden und keine verbindliche Evaluation. Wir brauchen dringend einen solchen Aktionsplan mit klaren Zielen, Kennzahlen, Zuständigkeiten und Finanzierung.“