Bürgergeld-Beiträge: Krankenkassen verklagen Staat auf mehr Geld

Bürgergeld-Beiträge: Krankenkassen verklagen Staat auf mehr Geld
Schon lange beklagen die gesetzlichen Krankenkassen, dass der Staat ihnen zu wenig für die Gesundheitsversorgung von Bürgergeldbeziehenden zahle. Nun zieht der Kassen-Spitzenverband vor Gericht. Es geht um mehrere Milliarden Euro.

Berlin (epd). Mit einer Klage wollen die gesetzlichen Krankenkassen durchsetzen, dass der Bund ihnen mehr Geld für die Versorgung von Bürgergeldbeziehenden überweist. Derzeit zahle der Staat pro Jahr zehn Milliarden Euro zu wenig, sagte der Verwaltungsratsvorsitzende des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Uwe Klemens, am Donnerstag in Berlin. Dies sei „ein schamloser, ungezügelter Griff“ in die Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Verband rechnet mit einem jahrelangen Rechtsstreit.

Die gesetzlichen Krankenkassen bekommen aktuell für jedes Mitglied im Bürgergeldbezug einen pauschalen Beitrag von 133,17 Euro im Monat. Dies decke nur ein Drittel der tatsächlichen Kosten, sagte Klemens. Dabei sei das Bürgergeld eine staatliche Fürsorgeleistung, die auch die Gesundheitsversorgung umfasse, sagte die Ko-Verwaltungsratsvorsitzende Susanne Wagenmann. Dass der Staat diese Aufgabe an die Kassen übertrage, sei in Ordnung, aber dann müsse er dies „voll finanzieren“.

Formal soll sich die Klage gegen die Zuweisungsbescheide des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) richten. Die Behörde mit Sitz in Bonn weist den Kassen jeweils im November für das kommende Jahr Geld aus dem Gesundheitsfonds zu, in dem die Mittel zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zusammenfließen. Eingereicht wird die Klage den Angaben zufolge beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen.

Bisher haben laut Wagenmann 74 der 94 gesetzlichen Krankenkassen angekündigt, den Verband mit der Prozessführung zu beauftragen, darunter „alle von den großen“. Sie rechne mit einem mehrjährigen Verfahren, das am Ende das Bundesverfassungsgericht beschäftigen dürfte, sagte die Verwaltungsratsvorsitzende. Die Erfolgaussichten seien „relativ hoch“.

Die zu geringen Pauschalen für Bürgergeldbeziehende und zuvor Menschen im Arbeitslosengeld II kritisiert der GKV-Spitzenverband bereits seit Jahren. Zur Frage, warum ausgerechnet jetzt geklagt wird, sagte Wagenmann, zu dem Problem stehe nichts im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung. Deshalb bestehe wenig Hoffnung, dass die Politik die Sache angehe.

Sowohl Wagenmann als auch Klemens verwiesen zudem auf die sehr angespannte Finanzlage der Kassen. Klemens fügte hinzu, dass die Summe von zehn Milliarden Euro im Jahr etwa 0,5 Beitragssatzpunkten entspreche. Wagenmann warnte, selbst wenn sich diese Summe durchsetzen lasse, wäre das angesichts der Finanzsituation nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“.

Die größte deutsche Krankenkasse, die Techniker Krankenkasse (TK), steht hinter der Klage, wie Vorstandschef Jens Baas erklärte. Er sprach von einer „Gerechtigkeitsfrage“: Die Beitragszahlenden der gesetzlichen Kassen „werden durch die derzeitige Regelung finanziell benachteiligt“. Auch der Verband der Ersatzkassen (vdek) erklärte, derzeit würden die Kassen zu einer indirekten Finanzierung der Sozialausgaben des Staates genötigt. Das sei nicht länger hinnehmbar. Unterstützung kam auch von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Von der Bundesregierung gab es zunächst keine Reaktion. Eine Sprecherin des Bundessozialministeriums und ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums wiesen auf Anfrage darauf hin, dass noch keine Klageschrift vorliege. Erst wenn dies der Fall sei, seien „konkrete Aussagen“ möglich, erklärte die Sprecherin.