Göttingen (epd). Deutschland muss sich aus Sicht der Menschenrechtsorganisation „Gesellschaft für bedrohte Völker“ stärker für die Freilassung politischer Gefangener in Russland einsetzen. Mehr als 1.500 Menschen seien dort wegen politischer Gründe in Haft, sagte Referentin Sarah Reinke am Donnerstag in Göttingen. Ein Jahr nach dem Austausch von 16 Gefangenen aus Russland und Belarus müsse Deutschland weiter alles daran setzen, dass die Gefangenen aus dem unmenschlichen russischen Haftsystem freikämen.
Zu den derzeit Inhaftierten zählten Angehörige von Minderheiten und indigenen Völkern, sagte Reinke. Darunter seien auch 134 Krim-Tataren, die aus ethnischen, religiösen oder politischen Gründen verhaftet worden seien. Viele von ihnen hätten Freiheitsstrafen von mehr als zehn Jahren bekommen und seien von ihrer Heimat auf der russisch besetzten Halbinsel Krim in weit entfernte Regionen verlegt worden. „Sie dürfen nicht vergessen werden.“
Menschenrechtsverteidiger, Anwälte, Journalisten und Kritiker des Kriegs gegen die Ukraine oder der Kreml-Politik würden in Russland ebenso verfolgt. Dass Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die humanitären Aufnahmeprogramme für sie gestoppt habe, sei daher ein falsches Signal, betonte Reinke: „Sie waren eine Möglichkeit für Menschenrechtsverteidiger aus Russland, manchmal in letzter Minute dem Gefängnis zu entgehen.“
Am 1. August 2024 ließen Russland und Belarus 16 Gefangene als Teil eines Austauschs ausreisen. Unter ihnen waren der russische Menschenrechtsverteidiger Oleg Orlov und der US-amerikanische Journalist Evan Gershkovich. Beim größten Gefangenenaustausch seit Ende des Kalten Krieges kamen insgesamt 24 Gefangene frei.