Leuchtfeuer-Hospiz pflegt queere Menschen

Hospizleiterin Melanie Fischer, Pflegedienstleiter Uwe Bührle und Hauswirtschafterin Alexandra Schlath halten Regenbogen-Wimpel.
epd-bild/Evelyn Sander
Hospizleiterin Melanie Fischer, Pflegedienstleiter Uwe Bührle und Hauswirtschafterin Alexandra Schlath vom Hospiz Leuchtfeuer freuen sich über das Qualitätssiegel der Schwulenberatung Berlin und der Initiative "Vielfalt pflegen".
Siegel "Lebensort Vielfalt"
Leuchtfeuer-Hospiz pflegt queere Menschen
Übergriffe und Hasskommentare gegen Lesben, Schwule und Bisexuelle nehmen in Deutschland zu. Das Hospiz Leuchtfeuer in Hamburg St. Pauli hält mit sensibler Pflege dagegen.

Vor dem Hamburger Leuchtfeuer-Hospiz auf St. Pauli flattert die neue Regenbogenfahne. "Sie ist das sichtbare Zeichen für echte Akzeptanz und Vielfalt", sagt Hospizleiterin Melanie Fischer. Ihr Haus ist offen für lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ+) sowie für Migrantinnen und Migranten. Das hat die 51-Jährige jetzt schriftlich. Als erste Einrichtung in Hamburg wurde das Hospiz kürzlich mit dem Qualitätssiegel "Lebensort Vielfalt" der Schwulenberatung Berlin und der Initiative "Vielfalt pflegen" ausgezeichnet.

"Angesichts des raueren gesellschaftlichen Klimas und der zunehmenden Gewalt gegen queere Menschen und Menschen mit Migrationsgeschichte gewinnt das Qualitätssiegel immer mehr an Bedeutung", sagt Projektleiter Quirin Boemmel von der Schwulenberatung Berlin. Dabei würden von einer diversitätssensiblen Pflege alle Menschen profitieren. Es gehe nicht um eine "Extrawurst" für LSBTIQ+, betont Boemmel: "Ganz generell ist es in der Pflege wichtig, den individuellen Menschen zu sehen und das, was ihn oder sie in ihrem Leben geprägt hat, was ihm oder ihr wichtig ist."

Seit 2018 wurde das Vielfalt-Siegel bundesweit an 24 Häuser vergeben, zehn sind gerade im Zertifizierungsprozess. "Seit einiger Zeit ist die Nachfrage so hoch, dass wir eine Warteliste führen", sagt Boemmel. Daher wurde ein Vorprogramm für erste Maßnahmen entwickelt, zudem gibt es eine kostenfreie E-Learning-Plattform. Ab 2027 sollen externe Trainerinnen und Trainer interessierte Einrichtungen auf die Zertifizierung vorbereiten.

Es gibt viel zu tun. Das Statistische Bundesamt zählt zum Dezember vergangenen Jahres 16.505 Pflegeheime und 15.549 ambulante Pflegedienste in Deutschland. Dem gegenüber geht das Portal Queer-Pflege.de von geschätzt 310.000 Pflegebedürftigen innerhalb der LSBTIQ+-Gemeinschaft aus. Rund 1,8 Millionen Menschen der Community seien über 60 Jahre alt. Doch im normalen Pflegealltag blieben queere Menschen oft unsichtbar. Aus Angst oder Scham verbergen sie ihre Identität, laut Portal würden nur 14,1 Prozent offen mit dem Pflegepersonal sprechen.

Als Aids-Hospiz nahe der Reeperbahn gegründet

Im Hospiz von Hamburg Leuchtfeuer, das 1998 als Aids-Hospiz nahe der Reeperbahn gegründet wurde, gehört die Vielfalt der Menschen seit jeher zum Alltag. Trotzdem wurde in dem Haus mit einem rund 30-köpfigen Team und elf Pflegeplätzen alles auf den Prüfstand gestellt. "Der Kriterienkatalog für das Siegel ist immerhin 92 Seiten lang", erzählt Fischer.

"Wer Menschen in der letzten Lebensphase begleitet, muss echtes Verständnis für sie haben", sagt Fischer. Viele seien aufgrund ihrer sexuellen Identität oder Migrationsgeschichte diskriminiert worden und scheuten sich, über ihre Bedürfnisse zu sprechen. "Nicht nur die körperliche Pflege ist wichtig, sondern auch das Gefühl, akzeptiert und verstanden zu werden", weiß die Leiterin.
Für Menschen mit Migrationshintergrund gebe es spezielles Informationsmaterial sowie Schilder auf Englisch. Dolmetscher und digitale Tools könnten bei medizinischen Fragen helfen. Besondere Essensvorlieben oder exotische Gewürze seien kein Problem. Auf Wunsch würden Besuche aus muslimischen Gemeinden und ein Gebetsteppich organisiert. "Ist im eigenen Zimmer kein Platz, wird das Wohnzimmer dafür eingerichtet", sagt Pflegedienstleiter Uwe Bührle.

In Dokumenten und auf Namensschildern sei die Sprache gendersensibel - neben "männlich" und "weiblich" gebe es eine Spalte "divers". Bei der Neuaufnahme werde niemand vorschnell als Herr oder Frau begrüßt. "Wir fragen erstmal, wie der Mensch angesprochen werden möchte", sagt Bührle. Auch die Teilnahme an Ausflügen, Stammtischen oder Kinoabenden des Projekts "Altern unterm Regenbogen" werde ermöglicht.

Derweil nehmen bundesweit Angriffe gegen Menschen der LSBTIQ+-Gemeinschaft zu. Laut Lagebericht des Bundeskriminalamtes (BKA) vom Mai 2025 zeigen die Fallzahlen einen "besorgniserregenden Anstieg queerfeindlicher Straftaten": 2023 hätten sich 1.785 Straftaten gegen LSBTIQ+ gerichtet, ein Anstieg von etwa 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Melanie Fischer von Leuchtfeuer hält dagegen: Die Regenbogenfahne vor dem Hospiz wird nicht nur im weltweiten "Pride-Month" Juni gehisst, sondern bleibt das ganze Jahr. Fischer: "Jetzt erst recht!"