Weltkirchenrat im Israel-Dilemma

Eine Delegierte hält die rote Zustimmungs-Karte verkehrt herum hoch während der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Karlsruhe.
epd-bild/Thomas Lohnes
Der Weltkirchenrat steht aufgrund des "Israel-Dilemmas" Kopf, so wie diese Abstimmungskarte des ÖRK bei der 11. Vollversammlung des Weltkirchenrates.
Apartheid oder nicht?
Weltkirchenrat im Israel-Dilemma
Die Israel-Palästina-Erklärung des Weltkirchenrats hat für Wirbel gesorgt - nicht nur bei Politik und Gesellschaft. Kritik kommt auch von Bischof Gohl, der den Apartheid-Vorwurf gegen Israel für "sachlich falsch" hält. Einen Rücktritt wegen der Auseinandersetzungen um die Erklärung sieht der Weltkirchenratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm allerdings als "kontraproduktiv".

Der Vorsitzende des Weltkirchenrats, Heinrich Bedford-Strohm, hat in einem Gespräch mit dem evangelischen Magazin "zeitzeichen" die umstrittene Israel-Palästina-Erklärung des Ökumene-Dachverbands verteidigt. Der deutsche Theologe betonte die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung des Begriffs "Apartheid" und räumte eigene Vorbehalte ein. Einen Rücktritt wegen der Auseinandersetzungen um die Erklärung habe er allerdings zu keinem Zeitpunkt erwogen, sagte Bedford-Strohm. Das wäre "völlig unangemessen" und "kontraproduktiv", da es gerade jetzt Menschen brauche, die beide Seiten wahrnehmen und die zunehmende Polarisierung überwinden.

Die Erklärung hatte Israels Politik gegenüber den Palästinensern als "System der Apartheid" bezeichnet. Er selbst wolle diesen Begriff nicht verwenden, betonte Bedford-Strohm. Der Begriff "Apartheid" erschwere Dialoge, sagte Bedford-Strohm, der bis 2023 bayerischer Landesbischof und bis 2021 Ratsvorsitzender der EKD war. Er betonte die Notwendigkeit, die Perspektive der durch den Hamas-Angriff am 7. Oktober "retraumatisierten Jüdinnen und Juden" wahrzunehmen.

Der Weltkirchenratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm denkt nicht an einen Rückzug.

Es gebe Analogien zur historischen Apartheid in Südafrika ein, etwa bei fehlenden Rechten für Palästinenser in bestimmten Gebieten. Doch es gebe einen wesentlichen Unterschied: In Israel habe man es nicht mit weißen Kolonialisten zu tun, "die sich dort Land nehmen, um wirtschaftlich zu prosperieren, sondern hier handelt es sich um ein absolut traumatisiertes Volk". 

Gohl: Apartheid-Begriff nicht auf Israel übertragbar

Die Ende Juni veröffentlichte ÖRK-Erklärung hatte scharfe Kritik ausgelöst. Besonders umstritten sind die Verwendung des Begriffs "Apartheid" und die fehlende Erwähnung des Hamas-Terror-Angriffs vom 7. Oktober 2023.  Der württembergische evangelische Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl stellt sich entschieden gegen eine Erklärung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK), in der Israel im Umgang mit den Palästinensern Apartheid vorgeworfen wird. Die Behauptung, Israel sei ein Apartheidstaat, wies Gohl als "politischen Kampfbegriff" zurück, der "sachlich falsch" sei und die Debatte polarisiere, heißt es in einer am Mittwoch verbreiteten Mitteilung der Landeskirche.

Der Apartheid-Begriff sei historisch mit dem rassistischen System in Südafrika verbunden und nicht auf Israel übertragbar, betonte dagegen Gohl. Er verwies auf Beispiele aus der israelischen Gesellschaft, wo etwa auch palästinensisches Personal in Medizin und Pflege arbeite. Zudem seien Araber gleichberechtigte Staatsbürger, Abgeordnete im Parlament und seien bereits an der Regierung beteiligt gewesen. Gohl kritisierte weiter, die Erklärung des ÖRK lasse Empathie für Juden in Israel vermissen.

Staffa: Keine Rassentrennung in Israel

Zuvor hatte der Antisemitismus-Experte Christian Staffa den Beschluss des Weltkirchenrates scharf kritisiert, Israel wegen seiner Politik gegenüber den Palästinensern als Apartheidssystem zu bezeichnen. Der Apartheidsvorwurf sei einfach falsch, sagte der christliche Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christen und Juden beim Deutschen Evangelischen Kirchentag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gebe sehr unterschiedliche Lebenswirklichkeiten von Palästinensern in der Region. Im Staat Israel "gibt es keine Rassentrennung". Der Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) hatte Israel auf seiner Tagung vom 18. bis 24. Juni im südafrikanischen Johannesburg mit diesem Begriff verurteilt.

Der Apartheidsvorwurf sei "nicht belegbar", fügte Staffa hinzu, der auch Antisemitismus-Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin ist. So seien zum Beispiel viele Ärzte und Pflegekräfte in Israel Palästinenser. Auch die Situation im Westjordanland rechtfertige rechtlich nicht den Apartheidsbegriff. Das sei eine kritikwürdige Besatzung, aber keine Apartheid. Auch in Ramallah gebe es keine Rassentrennung, sondern eine palästinensische Autonomiebehörde. Auch die Situation in Gaza habe mit Apartheid nichts zu tun.

Der ÖRK-Zentralausschuss hatte in Johannesburg in einer einstimmig beschlossenen Erklärung gefordert, dass die "Realität der Apartheid beim Namen" genannt wird. "Wir erkennen und verurteilen das System der Apartheid, das Israel dem palästinensischen Volk auferlegt und damit das Völkerrecht und das moralische Gewissen verletzt", erklärte das zweithöchste Leitungsgremium. Der ÖRK umfasst derzeit rund 350 Mitgliedskirchen mit weltweit mehr als 580 Millionen Christen. Die katholische Kirche ist nicht Mitglied, arbeitet mit dem Weltkirchenrat aber