Weltkirchenrat ringt um Differenzierung beim "Apartheid"-Begriff

Weltkirchenrat ringt um Differenzierung beim "Apartheid"-Begriff

Berlin (epd). Der Vorsitzende des Weltkirchenrats, Heinrich Bedford-Strohm, hat die umstrittene Israel-Palästina-Erklärung des Ökumene-Dachverbands verteidigt und betont die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung des Begriffs „Apartheid“. Im Gespräch mit dem evangelischen Magazin „zeitzeichen“ räumte er zugleich eigene Vorbehalte ein. Die Ende Juni veröffentlichte ÖRK-Erklärung hatte scharfe Kritik ausgelöst. Besonders umstritten sind die Verwendung des Begriffs „Apartheid“ und die fehlende Erwähnung des Hamas-Terror-Angriffs vom 7. Oktober 2023.

Einen Rücktritt wegen der Auseinandersetzungen um die Erklärung habe er zu keinem Zeitpunkt erwogen, sagte Bedford-Strohm in dem am Dienstag online veröffentlichen Interview. Das wäre „völlig unangemessen“ und „kontraproduktiv“, da es gerade jetzt Menschen brauche, die beide Seiten wahrnehmen und die zunehmende Polarisierung überwinden. Die Erklärung hatte Israels Politik gegenüber den Palästinensern als „System der Apartheid“ bezeichnet. Bedford-Strohm selbst wolle diesen Begriff persönlich nicht verwenden, betonte er im Interview.

Trotz mancher Meinungsverschiedenheiten lehnte der ÖRK-Vorsitzende einen Austritt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus dem Weltkirchenrat ab, auch wenn die EKD mit ihrer Position in bestimmten Fragen in der Minderheit sei. Er schäme sich nicht für die Erklärung des Zentralausschusses. Was ihn bewege, sei das „schreckliche Leid auf beiden Seiten“.

Der evangelische Theologe verwies auf eine Vorgeschichte der Debatte im ÖRK, die bereits 2022 auf der Vollversammlung in Karlsruhe, dem nur alle acht Jahre tagenden höchsten Beschlussgremium, kontrovers geführt wurde. Damals sei ein Prüfauftrag vergeben worden, der sich mit der völkerrechtlichen Verwendbarkeit des Begriffs beschäftigte. „Jedenfalls völkerrechtlich scheint es so zu sein, dass man plausibel einen Begriff wie Apartheid nutzen kann“, sagte Bedford-Strohm. Eine Arbeitsgruppe habe auch die Berichte von Organisationen wie Amnesty International berücksichtigt.

Dennoch erschwere der Begriff „Apartheid“ Dialoge, sagte Bedford-Strohm, der bis 2023 bayerischer Landesbischof und bis 2021 Ratsvorsitzender der EKD war. Er betonte die Notwendigkeit, die Perspektive der durch den Hamas-Angriff am 7. Oktober „retraumatisierten Jüdinnen und Juden“ wahrzunehmen. Er räumte Analogien zur historischen Apartheid in Südafrika ein, etwa bei fehlenden Rechten für Palästinenser in bestimmten Gebieten, betonte aber einen wesentlichen Unterschied: In Israel habe man es nicht mit weißen Kolonialisten zu tun, „die sich dort Land nehmen, um wirtschaftlich zu prosperieren, sondern hier handelt es sich um ein absolut traumatisiertes Volk“.

Bedford-Strohm unterstrich, dass der ÖRK den mörderischen Angriff der Hamas „selbstverständlich immer wieder mit scharfen Worten“ verurteilt habe, dies aber in anderen Erklärungen geschehen sei, da die aktuelle Erklärung einen spezifischen Prüfauftrag zur „Apartheid“-Frage wahrnehme. Er räumte jedoch ein: „Ich hätte es, insbesondere wenn man diese Missverständnisse jetzt wahrnimmt, auch gut gefunden, wenn man das ausdrücklich noch einmal gesagt hätte.“

Eine Nähe zur umstrittenen, als israelfeindlich geltenden BDS-Bewegung (Boycott, Divestment, Sanctions) wies der 65-jährige Bedford-Strohm klar zurück. „Nein, das kann ich hier ganz klar sagen“, antwortete er auf die Frage, ob er ein Anhänger der BDS-Bewegung sei. Der ÖRK habe seit 1948 stets das Existenzrecht Israels betont, und die BDS-Bewegung schließe auch Akteure ein, die dieses Existenzrecht infrage stellen: „Das darf nicht sein.“