Auslandsbischof ohne "Germany First" Kultur

Portrait von Oberkirchenrat Frank Kopania, Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland
Jens Schulze
Frank Kopania startet als neuer EKD-Auslandsbischof in Zeiten globaler Krisen.
Kopania auf der EKD-Weltbühne
Auslandsbischof ohne "Germany First" Kultur
Am 1. Juli 2025 tritt Frank Kopania sein Amt an. Er ist nach Petra Bosse-Huber der neue EKD-Auslandsbischof. Exklusiv für evangelisch.de beantwortet er die Fragen: Wie schafft es ein Auslandsbischof, mitten im Chaos der Weltkrisen Hoffnung zu verbreiten – und was verbindet Christen über alle Grenzen hinweg?

evangelisch.de: Herr Kopania, Sie treten Ihr neues Amt in einer Zeit voller Krisen an – was macht Ihnen persönlich Mut? 

Frank Kopania: Mut macht mir immer wieder die weltweite Gemeinschaft von Christinnen und Christen. In der Ökumene erlebe ich, wie wir auch in schwierigen Zeiten miteinander nachdenken, einander zuhören und gemeinsam nach Wegen suchen. Besonders begeistert mich, wie vielfältig die Perspektiven unserer Partnerkirchen weltweit sind und wie es trotz aller Unterschiede immer wieder gelingt, im Glauben verbunden zu bleiben und gemeinsam zu handeln.

Was bedeutet es heute, Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu sein – sind Sie mehr Evangelist oder mehr Krisenmanager? 

Kopania: Das Bischofsamt hat die zentrale Aufgabe, die geistliche Orientierung und die geschwisterliche Einheit zu fördern. In der Ökumene- und Auslandsarbeit der EKD ist dieses Amt vergleichbar mit dem eines Titular-Bischofs. Ich bin nicht für eine Landeskirche oder eine Kirchenregion zuständig, sondern für eine konkrete Aufgabe: die internationale Arbeit der EKD. Verkündigung und Seelsorge gehören selbstverständlich zu meinem Dienst, das ist  zentrale Aufgabe jedes pastoralen Dienstes. Gleichzeitig bin ich auch für Mitarbeitende verantwortlich, die die EKD weltweit entsendet oder beauftragt. Und ich trage die organisatorische Verantwortung für unsere Beziehungen zu den rund 100 mit der EKD verbundenen deutschsprachigen Gemeinden im Ausland und unsere 60 Partnerkirchen. Insofern ist es eine Mischung aus Manager und Seelsorger.

Ihr geplanter Besuch in Jerusalem steht auf der Kippe – wie bereiten Sie sich geistlich auf eine Reise in ein Kriegsgebiet vor? Sind Sie mehr erfüllt von Hoffnung oder fällt Ihnen dies angesichts der Eskalation eher schwer?

Kopania: In meinen bisherigen Aufgaben habe ich bereits zahlreiche Erfahrungen in Krisenregionen gemacht. Ich reise immer mit der Überzeugung, dass persönliche Begegnungen, Gespräche und das Teilen von Erfahrungen zum gegenseitigen Verständnis beitragen und besonders in krisenhaften Zeiten und Regionen zu Zeichen der Hoffnung werden können. 

Geistlich stärkt mich das persönliche Gebet, das gemeinsame Feiern von Gottesdiensten vor Ort und der pastorale, vertrauliche Austausch.

"Wir treten nicht als vermeintlich "Besserwissende" auf, die meinen anderen die Welt erklären zu können"

Wie nah wollen Sie sich an politische und gesellschaftliche Konflikte heranwagen – wo ist Ihre Grenze? 

Kopania: In der Verantwortung für internationale Arbeit ist die Beschäftigung mit politischen, gesellschaftlichen und religiösen Konflikten weltweit nahezu alltägliches Thema. Wir sammeln Informationen und versuchen, unterschiedliche Blickwinkel wahrzunehmen. Die entscheidende Frage ist, wie wir mit diesem Wissen und Lernen umgehen. Eine grundsätzliche Grenze, auch für alle unsere Entsandten und Beauftragten, ist, dass wir immer Gäste in einem anderen Land sind und als solche keine Wertungen innenpolitischer Vorgänge unserer Gastländer vornehmen. Wir können unsere Wahrnehmungen mit unseren ökumenischen Partnern austauschen und voneinander lernen. Aber wir treten nicht als vermeintlich "Besserwissende" auf, die meinen, anderen die Welt erklären zu können.

Die Gemeinden im Ausland leben oft unter anderen Bedingungen als in Deutschland – können wir etwas von Ihnen lernen? Auf welche Gemeinden freuen Sie sich besonders, beziehungsweise welche liegen Ihnen am Herzen? 

Kopania: In meiner bisherigen Aufgabe hatte ich in den letzten sieben Jahren das Privileg, alle Partnerkirchen und fast alle mit der EKD verbundenen Gemeinden weltweit zu besuchen. Sie alle haben ein sehr spezifisches Profil und leisten in ihrem Kontext begeisternde Arbeit. Was wir von ihnen allen lernen können, ist, wie Gemeinden ohne übergeordnete kirchliche Organisations- und Finanzierungsstrukturen mit einem Höchstmaß an Mitgliederorientierung ihr geistliches Leben gestalten.

"Ich hoffe, dass wir insbesondere bei geringer werdenden personellen und finanziellen Ressourcen nicht in ein "Germany First" zurückfallen"

Wie wollen Sie als neuer Auslandsbischof Nähe zu Christ:innen halten, die fern sind? 

Kopania: Wir haben in den letzten Jahren eine Vielzahl an Begegnungsformaten entwickelt: Kirchenvorstehenden-Tagungen, Prädikantenkurse, kontinental organisierte Regionalkonferenzen, Auslandspfarrkonferenzen und Partnerkirchenkonsultationen. Hinzu kommen digitale Begegnungsformate und ein neuentwickelter vierteljährlicher Newsletter. Wir sind also weltweit gut mit Gemeindegliedern, Ehren- und Hauptamtlichen vernetzt.

Was wünschen Sie sich von den Christ:innen in Deutschland für die weltweite Kirche – Gebet, Geld, politisches Engagement? 

Kopania: Das Gebet füreinander und miteinander ist zentral für unsere internationale Gemeinschaft. Ich hoffe, dass wir insbesondere bei geringer werdenden personellen und finanziellen Ressourcen nicht in ein "Germany First" zurückfallen, sondern dass wir gerade in diesen tiefgreifenden Veränderungsprozessen den Schatz unserer internationalen Vernetzung entdecken und uns noch stärker öffnen für weltweite Erfahrungen und Sichtweisen.

Und ganz ehrlich: Haben Sie schon mal gezweifelt, ob Kirche in solchen weltpolitischen Spannungen überhaupt gehört wird? 

Kopania: Ich schwanke oft im Angesicht des schieren Ausmaßes weltweiter Krisen und Konflikte zwischen Zweifel und Hoffnung. Und dann erlebe ich oftmals überraschend, wie in scheinbar aussichtslosen Situationen Hoffnungsschimmer durchdringen, menschliche Katastrophen abgewendet werden und politische Lösungen real werden. Das ist meistens nichts für große öffentliche Berichterstattung, da es viel Vertrauen und Verschwiegenheit erfordert, bis Konfliktparteien zusammenkommen. Diese Hoffnungsschimmer sind es, die mich immer wieder bewegen, meine Zweifel zu überwinden. Für diese stärkenden geistlichen Erfahrungen danke ich unseren vielen christlichen Geschwistern weltweit.