Bedford-Strohm: ÖRK-Apartheids-Beschluss nicht antisemitisch

Bedford-Strohm: ÖRK-Apartheids-Beschluss nicht antisemitisch

Genf, München (epd). Der Vorsitzende des Weltkirchenrats, Heinrich Bedford-Strohm, hat den Beschluss der Ökumene-Organisation verteidigt, Israel für seine Politik gegenüber den Palästinensern als Apartheids-System zu bezeichnen. Es gebe Stimmen, die dem Gebrauch des Begriffes „Apartheid“ für die Situation in Israel skeptisch gegenüberstehen, räumte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Mittwoch in einem dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegenden Statement ein.

Dass diese Stimmen die Gesamterklärung am Ende mitgetragen haben, „liegt in dem Erschrecken über das unermessliche Leid begründet, das die Bombardements der israelischen Armee im Gazastreifen angerichtet haben und das durch keine noch so legitime Selbstverteidigung mehr zu rechtfertigen ist“, erklärte der Theologe.

„Mit Antisemitismus hat der Beschluss nichts zu tun“, unterstrich Bedford-Strohm: „Das Eintreten für die Menschen in Gaza und in den besetzten Gebieten kommt aus den gleichen universalistischen Werten wie die unbedingte Solidarität mit Jüdinnen und Juden in aller Welt, die jetzt wegen des Handelns der israelischen Regierung antisemitischen Angriffen ausgesetzt sind.“

Der ÖRK-Zentralausschuss hatte Israel verurteilt. In der Erklärung wird gefordert, dass die „Realität der Apartheid beim Namen“ genannt wird. „Wir anerkennen und verurteilen das System der Apartheid, das Israel dem palästinensischen Volk auferlegt und damit das Völkerrecht und das moralische Gewissen verletzt“, erklärte das zweithöchste Leitungsgremium am Dienstag zum Abschluss seiner Tagung im südafrikanischen Johannesburg.

„Man kann in der Diskussion um diesen Begriff nach wie vor unterschiedlicher Meinung sein“, fügte der frühere bayerische Landesbischof Bedford-Strohm hinzu. Es gebe Analogien zum Apartheid-Regime, aber auch Unterschiede. „Ein von einem nach wie vor unfassbaren Völkermord traumatisiertes Volk, das nach aller Verfolgung endlich einen Ort findet, wo es sicher leben kann, lässt sich nicht einfach gleichsetzen mit den weißen Kolonialisten, die das System der Apartheid in Südafrika errichtet haben“, so der Sozialethiker.

Die Diskussion darum trete aber in den Hintergrund, „wenn Kinder im Gazastreifen hungern, weil die israelische Regierung die Lastwagen mit Hilfslieferungen, die sich an der Grenze stauen, nicht ins Land lässt“. Das Leid dieser Kinder schreie ebenso zum Himmel wie das Leid der nach wie vor von der Hamas brutal festgehaltenen israelischen Geiseln. Für sie alle gelte der eindringliche Satz der kürzlich im Alter von 103 Jahren verstorbenen Holocaustüberlebenden Margot Friedländer: „Es gibt kein jüdisches, arabisches oder christliches Blut. Es gibt nur menschliches Blut.“

Der Begriff Apartheid mit Bezug auf Israel ist in der Ökumene hochumstritten. Die elfte Vollversammlung des ÖRK in Karlsruhe im September 2022 endete mit einem Kompromiss: Der Weltkirchenrat hatte Israel damals nicht zum Apartheidstaat erklärt. Vor einer solchen Einstufung hatten insbesondere Antisemitismus-Beauftragte und jüdisch-christliche Verbände gewarnt.

Der Zentralausschuss des ÖRK tagte unter seinem Vorsitzenden Bedford-Strohm vom 18. bis 24. Juni in Johannesburg. Dem Gremium gehören 158 Mitglieder, die regionalen Präsidentinnen und Präsidenten des ÖRK sowie 100 Beraterinnen und Berater aus der breiteren ökumenischen Bewegung an. Der ÖRK umfasst derzeit 365 Mitgliedskirchen mit weltweit mehr als 580 Millionen Christinnen und Christen. Die katholische Kirche ist nicht Mitglied, arbeitet mit dem Weltkirchenrat aber zusammen.