Kommission: 120 Betroffene von sexuellem Missbrauch im Bistum Fulda

Kommission: 120 Betroffene von sexuellem Missbrauch im Bistum Fulda
Die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Fulda hat ihren Abschlussbericht vorgelegt. Sie hat 37 Beschuldigte und 120 Betroffene identifiziert, aber die Gesamtzahl sei in Wirklichkeit viel höher.

Fulda (epd). Die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im katholischen Bistum Fulda hat nach fast vierjähriger Untersuchung ihren Abschlussbericht vorgelegt. Der Bericht beschreibt die Fälle von 37 beschuldigten Priestern und Kaplanen und 120 Betroffenen, wie der Vorsitzende, der frühere Fuldaer Oberbürgermeister Gerhard Möller, am Dienstag in Fulda sagte. 239 strafbare sexuelle Handlungen seien nachweisbar, aber die Gesamtzahl sei „in Wirklichkeit sicherlich ein Mehrfaches höher“.

Die Kommission mit ihren neun Mitgliedern hat laut Möller 2.124 Akten über einen Zeitraum von 80 Jahren gesichtet. Missbrauchsopfer seien bis 2010 im Bistum Fulda nicht beachtet worden, „man war blind“, sagte Möller. Als Reaktionen habe die Kommission nur 23 Strafanzeigen registriert und 37 Leistungszahlungen. Als Hauptverantwortlichen müsse man Weihbischof Johannes Kapp (1929-2018) betrachten, der von 1977 bis 2003 für das Personalwesen zuständig war, ergänzte das Kommissionsmitglied Philipp Zmyj-Köbel.

„Beschuldigte wurden im Bistum Fulda bis 2000 in aller Regel mit Nachsicht behandelt, das Ansehen der Kirche sollte nicht beschädigt werden“, sagte Möller. Die Personalverantwortlichen reagierten mit Versetzungen, ohne die Gründe zu nennen. „Beschuldigten wurde mehr geglaubt als Betroffenen.“ Selbst die Kirchengemeinden hätten sich in öffentlich gemachten Fällen meist hinter die Beschuldigten gestellt.

Bischof Michael Gerber äußerte sich erschüttert bei der Entgegennahme des Berichts. „Der heutige Tag ist ein schwerer Tag, ein Tag, der mit Schmerzen verbunden ist“, sagte er. Der Bericht sei erschütternd. „Wir haben als Bistum Fulda Schuld auf uns geladen“, gestand Gerber ein. Kirchliche Strukturen hätten versagt. Am 26. Juni werde das Bistum über Schlussfolgerungen Auskunft geben. „Wir arbeiten daran, dass das Bistum Fulda ein sicherer Ort wird.“ Nach Auskunft des Bistums wurden bislang 513.000 Euro an Anerkennungsleistungen gezahlt und 22.000 Euro für Therapieleistungen.

Der Betroffenen-Vertreter in der Kommission, Stephan Auth, kritisierte als eine Voraussetzung des Missbrauchs den Klerikalismus in der Kirche. Geweihte Priester seien als besonders herausgehobene Menschen betrachtet worden. „Warum wurde geschwiegen? Warum vertuscht? Warum Betroffenen misstraut?“, fragte Auth. Er äußerte Verständnis dafür, dass viele Betroffene das Gesprächsangebot der Kommission nicht annahmen. „Viel zu oft liegt die Scham auf der falschen Seite“, sagte er. „Die Scham muss die Seite wechseln.“

Als Schlussfolgerung schlägt die Kommission dem Bistum unter anderem vor, ein dauerhaftes Gremium zur Bearbeitung der Fälle und eine Ombudsstelle für Betroffene einzurichten. Die Unterstützung von Betroffenen bei der Aufarbeitung und Therapie solle verbessert werden. Ferner sollten Vorbeugungs- und Schutzkonzepte sowie eine Erinnerungskultur weiterentwickelt werden.