Demokratie ist weltweit in Bedrängnis

Dagmar Pruin
Hermann Bredehorst/Diakonie Katastrophenhilfe
Pfarrerin Dr. Dagmar Pruin, Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe: Demokratisches zivilgesellschaftliches Engagement muss geschützt werden.
Bericht von "Brot für die Welt"
Demokratie ist weltweit in Bedrängnis
Auch Deutschland bekommt im "Atlas der Zivilgesellschaft" keine Bestnote: Der zivilgesellschaftliche Handlungsspielraum gilt als "eingeschränkt". Weltweit geraten laut der Bestandsaufnahme Demokratie und Menschenrechte zunehmend unter Druck.

Einschränkungen im Demonstrationsrecht, Verbote für Organisationen, Angriffe auf Aktivistinnen und Aktivisten: Der zivilgesellschaftliche Handlungsspielraum wird laut "Atlas der Zivilgesellschaft" weltweit spürbar enger. Mehr als 85 Prozent der Weltbevölkerung lebten in Ländern, in denen der Rahmen zivilgesellschaftlichen Engagements beschränkt, unterdrückt oder komplett geschlossen sei, erklärte das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt" am Montag in Berlin bei der Vorstellung des Zustandsberichts. Mitverantwortlich dafür sei, dass rechtsstaatliche Prinzipien immer weiter untergraben würden.

"Demokratie und Menschenrechte werden weltweit in einer Weise angegriffen, wie wir es seit Jahrzehnten nicht erlebt haben", sagte "Brot für die Welt"-Präsidentin Dagmar Pruin. "Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Schutz vor staatlicher Willkür sind in immer mehr Ländern bedroht oder gar nicht mehr vorhanden."

Bei der Einstufung des verbliebenen Raumes für zivilgesellschaftliche Akteure fallen dem Bericht zufolge 29 Staaten in die unterste Kategorie "geschlossen", darunter China, Saudi-Arabien oder der Irak. 51 Länder werden der zweituntersten von insgesamt fünf Stufen zugeordnet: Hier gilt der Handlungsspielraum als "unterdrückt".

Deutschland fällt wie schon im vergangenen Jahr unter die Kategorie "beeinträchtigt", die zweite Stufe. Die beste Kategorie "offen" hatte es 2023 noch erreicht. Auch weitere europäische Staaten sind abgerutscht. Als "offen" werden unter anderem die skandinavischen Länder, Österreich, Schweiz oder Kanada eingestuft.

Die Einordnung der Länder beruht auf Zahlen und Beobachtungen aus dem Jahr 2024.

Der diesjährige, inzwischen achte Bericht untersuchte laut "Brot für die Welt" unter dem Schwerpunktthema "Angriffe auf den Rechtsstaat", wie Regierungen rechtsstaatliche Mechanismen missachten, manipulieren und aushöhlen, um Grundlagen für die Repression der Zivilgesellschaft zu schaffen. Der Report zeige aber zugleich auf, wie zivilgesellschaftliche Organisationen den rechtlichen Rahmen nutzten, um etwa durch strategische Klagen und Prozesse sozialen und ökologischen Fortschritt voranzutreiben.

"Wenn wir die Demokratie weltweit schützen wollen, müssen wir bei der Zivilgesellschaft anfangen", betonte Pruin. "Sie ist der Schlüssel." Sie fordere Rechte für benachteiligte Menschen ein, enttarne Korruption und ziehe Regierungen und andere Akteure für Unrecht zur Rechenschaft. Das mache die Zivilgesellschaft auch zum Motor für faire und nachhaltige Entwicklung: "Ohne Zivilgesellschaft kein Engagement gegen den Hunger, ohne Zivilgesellschaft kein Wahlrecht, kein Klimaschutz, keine Bildung für alle, keine Hoffnung auf ein besseres Morgen, kein Friede, kein Wandel."

Die Zivilgesellschaft sei mehr denn je gefordert. Ihr Einsatz sei aber nur möglich, wenn rechtsstaatliche Prinzipien gelten. Auch die Bundesregierung müsse handeln, forderte Pruin: "Sie muss sich kompromisslos für eine unabhängige und freie Zivilgesellschaft einsetzen - im In- und Ausland."

Der von "Brot für die Welt" herausgegebene Bericht basiert auf Erhebungen des Netzwerks für bürgerschaftliches Engagement, Civicus. Auf einer fünfstufigen Skala von "offen" bis "geschlossen" werden die Freiheiten für jedes Land eingeordnet. Wichtige Kriterien für die Bewertung sind etwa die Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit.