Berlin (epd). Eine unabhängige Expertenkommission hat eine grundlegende Neuausrichtung der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik zu Ländern des Globalen Südens gefordert. „Die Welt wartet nicht. Deutschland muss sich jetzt klug aufstellen und klären, welche Rolle es in der Zukunft spielen will“, sagte die Vorsitzende und ehemalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bei der Vorstellung des Abschlussberichts am Mittwoch in Berlin. Sie sprach von „massiven geopolitischen Verschiebungen“, bei denen die Länder des Globalen Südens an Bedeutung gewinnen, während der Westen in die Defensive gerate.
Die zehnköpfige Expertenkommission „Welt im Umbruch - Deutschland und der Globale Süden“ betont in ihrem Bericht, dass Deutschland ohne neue Allianzen, diversifizierte Märkte und eine strategische Einwanderungspolitik für Fachkräfte den Anschluss zu verlieren drohe. Fast jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hänge vom Export ab und jeder zweite Euro werde im Ausland verdient. Gleichzeitig entfielen bereits heute etwa 35 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung auf die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), während die G7-Länder nur noch 30 Prozent erwirtschafteten.
Zu den zentralen Empfehlungen des Berichts gehören unter anderem eine strategischere Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit, die Aufwertung des Bundessicherheitsrates, die Förderung privater Investitionen im Globalen Süden, sowie die Einrichtung einer nationalen Einwanderungsagentur, die Arbeitsmigration vereinfachen soll. Zudem fordern die Expertinnen und Experten neue politische Initiativen, um verschuldeten Ländern unter die Arme zu greifen. Dabei geht es laut dem Exekutivdirektor der Weltbankgruppe für Deutschland, und Kommissionsmitglied, Michael Krake, darum, private Gläubiger mit gesetzlichen Regelungen stärker zur Verantwortung zu ziehen.
Im Bereich der internationalen Klimafinanzierung schlagen die Expertinnen und Experten die Einrichtung sogenannter Steuerclubs vor. Diese könnten durch eine gemeinsame Besteuerung etwa des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs erhebliche Mittel für die Klimafinanzierung generieren. So würden einseitige Belastungen etwa für den Wirtschaftsstandort vermieden, erläuterte Kramp-Karrenbauer.
Bereits im Januar vor der Bundestagswahl hat die Kommission einige Handlungsempfehlungen veröffentlicht. Einige der Vorschläge finden sich in ähnlicher Form im Koalitionsvertrag von Union und SPD wieder. So will die Bundesregierung einen nationalen Sicherheitsrat und eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung („Work-and-stay-Agentur“) einrichten.
Die Expertengruppe spricht sich zudem dafür aus, nicht nur Deutschlands Werte wie die Einhaltung der Menschenrechte, sondern auch die eigenen Interessen im Umgang mit den Ländern des Globalen Südens deutlich zu benennen. Für viele Länder sei das eine „Frage des Respekts und der Augenhöhe“, sagte Kramp-Karrenbauer.
Die Kommissionsmitglieder wollten den Bericht am Mittwochnachmittag an Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) überreichen. Die zehnköpfige Expertenkommission besteht aus führenden Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft und Zivilgesellschaft, darunter auch der ehemalige Außenminister Joschka Fischer (Grüne). Die Expertengruppe wurde von dem Thinktank „Global Perspectives Initiative“ einberufen. Der Abschlussbericht basiert auf umfangreichen Recherchen und Gesprächen mit Expertinnen und Experten aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Europa.