Berlin (epd). Die Zahl politisch motivierter Straftaten ist 2024 erneut stark gestiegen, vor allem die der rechtsextrem motivierten Delikte. Von insgesamt rund 84.000 Taten war gut die Hälfte - knapp 43.000 - im vergangenen Jahr rechtsextrem motiviert, wie aus der am Dienstag in Berlin vorgestellten Statistik des Bundeskriminalamts hervorgeht. Zugenommen haben auch rechte Gewaltdelikte und die sogenannte Hasskriminalität, die sich gegen bestimmte Merkmale einer Person richtet: ihr Aussehen, ihre Herkunft, ihre sexuelle Identität oder ihr Geschlecht. Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) ist dennoch zurückhaltender als seine Vorgänger bei der Kampfansage in Richtung rechts.
Er werde „verfassungsfeindlichen Bestrebungen jeglicher Art mit der gleichen Entschlossenheit entgegentreten“, sagte Dobrindt bei der Vorstellung der Zahlen. Erst auf Nachfrage einer Journalistin rang er sich durch, wie seine Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) und Nancy Faeser (SPD) davon zu sprechen, dass die „größte Gefährdung“ vom Rechtsextremismus ausgehe - um aber hinterherzuschieben, es gebe auch andere Phänomene, die anstiegen. Sein Maßstab sei die Polarisierung der Gesellschaft, sagte Dobrindt an anderer Stelle. Dabei sei der Rechtsextremismus „ein wesentliches Element“, insgesamt sei das Problem aber breiter.
Im Bereich Hasskriminalität stieg 2024 die Zahl der Straftaten um 28 Prozent auf fast 22.000. Darunter waren in der überwiegenden Mehrheit fremdenfeindlich, ausländerfeindlich und rassistisch motivierte Taten. Die Zahl antisemitischer Straftaten stieg auf mehr als 6.200 Fälle - fast 1.000 mehr als im Jahr zuvor. „Erschütternd“ nannte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, die Bilanz. Der zunehmende Antisemitismus mache ihm größte Sorgen, sagte Dobrindt. Klein und Dobrindt wiesen darauf hin, dass zwar die meisten Fälle judenfeindlich motivierter Übergriffe nach wie vor rechtsextrem motiviert sind, andere Tatmotivationen - ausländische und religiöse Ideologie - aber zunähmen.
Linksextreme Straftaten nahmen der Statistik zufolge 2024 um 28 Prozent auf knapp 10.000 Delikte zu, die Zahl linksextrem motivierter Gewalttaten nahm um rund 17 Prozent auf 762 ab. Starke Anstiege gab es zudem insgesamt in den Bereichen ausländische und religiöse Ideologie sowie im Bereich „sonstige Zuordnung“.
Dobrindts Antwort auf die Statistik war am Dienstag eine „Sicherheitsoffensive“, zu der die Stärkung, aber auch ein besserer Schutz von Polizei und Sicherheitsbehörden zählen soll. Zudem will er nach eigenen Worten das Strafmaß für Angriffe auf Polizisten und Messertaten erhöhen.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD), äußerte sich alarmiert über den drastischen Anstieg rechtsextrem motivierter Straftaten. „Unser Land ist in Aufruhr, es ist etwas ganz gewaltig ins Rutschen geraten“, erklärte sie. Menschen mit Einwanderungsgeschichte, Geflüchtete, schwarze Menschen, Juden, Muslime, Sinti und Roma bräuchten „ein klares Zeichen der Solidarität gegen die Bedrohung von rechts“.
Vor dem Auftritt Dobrindts hatten in der Bundespressekonferenz Opferberatungsstellen ihre Bilanz rechter Gewalt für das vergangene Jahr vorgelegt. Die in zwölf Bundesländern vertretenen Beratungsstellen zählten 3.453 Angriffe mit 4.861 Opfern, darunter neun Todesopfer bei Brandanschlägen und Messerangriffen, wie Judith Porath, Vorstandsmitglied vom Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sagte. Das waren wie immer mehr als in der amtlichen Statistik. Porath beklagte, dass die Strafverfolgungsbehörden rassistische Tatmotive oftmals nach wie vor nicht erkennen würden. Sie forderte an dieser Stelle mehr Engagement vom neuen Bundesinnenminister.