Berlin, Brüssel (epd). Die Zurückweisung Asylsuchender an den deutschen Grenzen stößt beim Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) auf Kritik. „Was mir besonders Sorge macht, ist die Signalwirkung“, sagte Katharina Thote, die Vertreterin des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen in Deutschland, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der EU-Abgeordnete Damian Boeselager (Volt) warnte vor einem „Domino-Effekt“ innerhalb der EU infolge der deutschen Grenzkontrollen.
„Das individuelle Recht auf Asyl und das Recht, Asyl zu beantragen, wenn man an der Grenze eines Landes ankommt, sind Grundpfeiler des globalen Systems des Flüchtlingsschutzes“, sagte die UNHCR-Vertreterin Thote. „Zurückweisungen untergraben das“, unterstrich Thote. Zudem müsse man sicherstellen, dass es nicht zu Kettenabweisungen kommt.
„Das heißt nicht, dass es nicht Rückführungen in andere Länder geben kann“, sagte Thote. Sie verwies aber auf europäische Vereinbarungen, die eine Prüfung des Antrags vorschreiben. „Die sollten eingehalten werden“, sagte sie und verwies auf das im vergangenen Jahr vereinbarte Gemeinsame Europäische Asylsystem, bei dem es um eine fairere Verteilung von Flüchtlingen gehe. „Man sollte sich jetzt darauf konzentrieren, das umzusetzen“, sagte die UNHCR-Vertreterin.
Vor dem Hintergrund des angekündigten schärferen Kurses der neuen Bundesregierung in der Asylpolitik sagte die UNHCR-Vertreterin, sie stelle sich „auf Veränderungen ein, auch auf Verschärfungen“. Sie rechne aber auch damit, „dass sich die Bundesregierung der Rolle Deutschlands bewusst ist“.
Thote hofft nach eigenen Worten, dass Deutschland ein Partner beim sogenannten Resettlementprogramm bleibt, bei dem Flüchtlinge umgesiedelt werden, die andernorts keinen sicheren Schutz finden. Die schwarz-rote Koalition hat angekündigt, freiwillige Aufnahmeprogramme zu beenden, konkret dabei aber bislang nur auf das Kontingent für Afghaninnen und Afghanen verwiesen. Ob und wie es mit Resettlementaufnahmen weitergeht, ist offen.
Auch der Europaabgeordnete Boeselager (Volt) kritisierte die vdeutschen Grenzkontrollen. „Das Schengener Abkommen verbietet innereuropäische Grenzkontrollen. Wenn nicht einmal Deutschland sich an diese Regeln hält, entsteht ein Domino-Effekt“, sagte Boeselager dem epd. Das Vorgehen könne andere Staaten dazu verleiten, sich ebenfalls über EU-Regeln hinwegzusetzen.
Der EU-Abgeordnete warf Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vor, mit der Anweisung zur Zurückweisung von Asylsuchenden europäische Grundprinzipien zu untergraben. Besonders problematisch sei, dass sich Merz damit an rechtspopulistischen Narrativen orientiere: „Es gibt Probleme in Deutschland, also machen wir die Grenzen dicht. Das löst kein einziges tatsächliches Problem.“
Boeselager warnte vor einer Diskursverschiebung in der Migrationsdebatte. Migration werde zunehmend negativ konnotiert, obwohl sie für Europa eine wirtschaftliche Notwendigkeit sei. In den nächsten Jahren würden in Europa Hunderttausende Fachkräfte benötigt. Doch Menschen, die nach Europa kommen wollen, würden abgeschreckt oder wie Bittsteller behandelt.