Die Linde ist "Heilpflanze des Jahres 2025". Ihr weiches Holz, in das Verliebte schon mal ein Herz und zwei Namen ritzen, hat ihr den Beinamen "Baum der Liebe" beschert. "Die Linde berührt auch die Seele", sagt Christine Güldner vom Naturheilverein (NHV) Theophrastus in Chemnitz. Der Verein kürt seit 2003 jedes Jahr die "Heilpflanze des Jahres". Sein Anliegen sei es, "Tradition und Moderne zu verbinden", so Güldner.
"Obwohl sie groß und stattlich ist, hat die Linde eine weiche und empfindsame Seite", begründete die Jury ihre Wahl. Dem Baum mit den unregelmäßig-herzförmigen Blättern wird eine Heilwirkung als Erkältungsmittel und eine beruhigende, die Nerven entspannende Wirkung zugeschrieben. Das Arzneibuch stuft den Tee aus getrockneten Lindenblüten (lat. Tiliae flos) wegen seiner schweißtreibenden und reizhustenlindernden Eigenschaften als traditionelles pflanzliches Arzneimittel ein. Inhaltsstoffe wie Schleimstoffe, Flavonoide oder ätherische Öle können dazu beitragen, Fieber zu senken und festsitzenden Schleim zu lösen.
Botanisch ist zu unterscheiden zwischen der Winter- und der Sommerlinde. Beide blühen in den Monaten Juni und Juli - die Winterlinde später als die Sommerlinde. Charakteristisch ist ein Lanzetten-artiges Tragblatt, das wie ein Fallschirm die Früchte des Lindenbaumes - zwei kleine Nüsse - weit davonträgt. Ein weitverzweigtes, tiefes Herzwurzelsystem sorgt für Standfestigkeit. "Sie kann Hänge befestigen", sagt Manuel Karopka, der bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Freiburg zuständig ist für den Waldnaturschutz. Der Baum wachse sowohl auf mageren als auch auf fruchtbaren Böden und sei dank seiner Genügsamkeit dem Klimawandel gewachsen.
In der Forstwirtschaft fristet die Linde wegen ihres weichen Holzes ein untergeordnetes Dasein. "Die Linde war lange als Forstunkraut angesehen", so Karopka, sie habe als "dienende Baumart" gegolten. Um andere Bäume, die besser verwertbares Holz lieferten, zu unterstützen, sei sie "dazwischen gepflanzt" worden, sagt der Fachmann.
Lindenvielfalt mit Heilkraft
In der Naturheilkunde zum Einsatz kommt auch die aus Kleinasien importierte Silberlinde, die besonders "gut für den Schlaf" sei, erklärt die Heilpraktikerin Sandra Schiller aus Wieden im Südschwarzwald. Die Komplementärmedizinerin verabreicht bei Herzbeschwerden Tee aus Blüten der Winterlinde, bei leichtem Stress ein Präparat aus jungen Teilen der Silberlinde, wie Sprossen, Knospen oder Trieben.
Bereits der Duft eines blühenden Lindenbaumes sorge für tiefe Entspannung, sagt sie. Möglich, dass gerade diese subtile Wirkung der Linde in früheren Zeiten den zentralen Platz im Dorf sicherte. Als Gerichtsbaum mahnte die Linde zu einem linden, also milden, Urteil.
Bedeutung hatte die Linde zudem in Sagen: In der griechischen Mythologie verwandeln sich die Liebenden Philemon und Baucis nach ihrem Tod in Bäume, Baucis wird eine Linde. Und in der Nibelungensage sorgt ausgerechnet ein Lindenblatt, das zwischen den Schulterblättern klebt, für die Schwachstelle des unbesiegbaren Siegfried. Weiblichkeit und Verletzlichkeit, aber auch Glückbringendes wurde mit der Linde assoziiert. "Wir wollen ganzheitlich auf die Pflanze schauen, auch das alte, die Beziehung zum Menschen einbeziehen", sagt Güldner vom Chemnitzer Naturheilverein Theophrastus. Orts- und Straßennamen enthalten den Namen "Linde" oder leiten sich wie Leipzig vom polnischen "Lipsk" (Lindenort) ab.
Zu Tanz und Geselligkeit luden "Tanzlinden" ein, unter und in deren Krone gefeiert wurde. Mit acht Metern Stammumfang und 16 Metern Höhe ist die wohl bekannteste Tanzlinde im oberfränkischen Limmersdorf (Kreis Kulmbach in Bayern) ein geschütztes Naturdenkmal. Die Wahl der Linde zur "Heilpflanze des Jahres" begrüßen Güldner und die Heilpraktikerin Schiller gerade auch wegen ihrer Ausstrahlung: "Die Linde als Friedensbaum ist ein Superbaum für dieses Jahr", sagt Schiller.