Was ist eine sogenannte Sekte?
Offiziell gibt es keine wissenschaftlich oder allgemein anerkannte Definition für den Begriff "Sekte". Das junge Politik-Lexikon der Bundeszentrale für politische Bildung definiert den Begriff so: Das Wort kommt vom lateinischen "secta" und bedeutet "Richtung" oder "befolgter Grundsatz". Mit "Sekte" wird meist eine Glaubensgemeinschaft bezeichnet, die sich von einer größeren Gemeinschaft (man sagt auch "Mutterreligion") abgespalten hat. Oft glauben die Mitglieder, den besseren oder einzig richtigen Weg zum Heil oder zur Erlösung gefunden zu haben.
Achtung: Der Begriff "Sekte" ist sehr schwierig, da er von Anfang an mit einer Abwertung und Diffamierung der jeweiligen Gruppierung einhergeht. Seien Sie sich dessen bewusst, vor allem, wenn Sie den Begriff gegenüber Ihnen nahestehenden Menschen benutzen. Sogenannte Sekten gibt es in allen großen Religionen.
Was ist der Unterschied zwischen einer Religion und einer sogenannten Sekte?
Es ist wichtig, jede Glaubensgemeinschaft einzeln zu betrachten und nicht vorschnell zu urteilen. Und auch viele dieser "sektenartigen" Sondergemeinschaften ordnen sich einer Religion zu. Neben den großen Religionen gibt es viele Sekten. Das können religiöse Gemeinschaften sein, die oft dieselben Fragen behandeln wie die Religionen. Viele sind sogar aus einer Religion entstanden. Die meisten dieser Gemeinschaften verfolgen auch friedliche Ziele.
Ein Unterscheidungsmerkmal zwischen einer Religion und einer problematischen "Sekte" liegt oft in ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz, Größe und Organisationsstruktur. Seriöse Religionen sind gemeinhin große, etablierte Glaubensgemeinschaften. Oft mit einer langen Geschichte. Sie haben eine feste Lehre, Rituale und eine transparente Organisationsstruktur, sind gesellschaftlich anerkannt und oft rechtlich geschützt. Sie basieren auf über lange Zeit natürlich entstandenen Glaubensansichten und fokussieren sich meist auf positive und heilsame Motivationen.
Sogenannte Sekten sind oft kleinere, neue oder unkonventionelle und vor allem problematische religiöse Gruppen. Sie haben sich häufig von einer größeren Religionsgemeinschaft abgespalten und sind in der Gesellschaft weniger akzeptiert und anerkannt. Sie basieren oft auf den Ansichten eines Gründers oder einer kleinen Gruppe und können manipulative oder als gefährlich angesehene Praktiken aufweisen. Es ist wichtig zu beachten, dass der Begriff "Sekte" heute meist negativ konnotiert ist und auch hier nochmal der Hinweis, den Begriff entsprechend vorsichtig zu verwenden. Nicht alle kleineren religiösen Gruppen sind automatisch "Sekten".
Einige weitere Unterscheidungsmerkmale: Religionen erlauben oft mehr individuelle Interpretation, während problematische Glaubensgemeinschaften striktere Regeln und Kontrolle ausüben können und oft nicht bereit sind, Kritik zuzulassen oder in den Dialog einzutreten. Religionen haben meist eine breitere gesellschaftliche Integration, sogenannte "Sekten" können und wollen sich auch stärker abgrenzen.
Wie erkenne ich eine problematische "Sekte?"
Typische Anzeichen einer problematischen Glaubensgemeinschaft sind laut Zentrum für Ökume, Sekten-Info NRW , CBS News und Alexandra Stein von der London South Bank University, ein charismatischer Anführer mit absoluter Autorität, die angestrebte Isolation von Gemeinschaftsangehörigen von Familie und Freunden, Unterdrückung von Kritik und Skepsis, finanzielle Ausbeutung der Mitglieder und die Überzeugung, die einzige Wahrheit zu besitzen. Hier die wichtigsten Anzeichen im Einzelnen:
- Die Gruppe verspricht, dass Menschen, die bisher vergeblich danach suchten, bei ihr Lebenssinn, Glück, Gemeinschaft, Gesundheit und Erfolg finden. Oft wird versprochen, alle Probleme der Welt zu lösen.
- Bereits der erste Kontakt eröffnet eine völlig neue Sicht der Dinge oder einfache Patentrezepte.
- Man soll schnellstmöglich Mitglied werden.
- Es ist schwer, ein genaues Bild von der Gruppe zu bekommen. Fragen und Diskussionen werden abgelehnt oder auf "später" geschoben. Neue Mitglieder sollen auf Veranstaltungen kommen und eigene Erfahrungen machen.
- Es gibt einen Meister, Führer, Medium oder einen Guru, der im alleinigen Besitz des nötigen Wissens und/ oder der Wahrheit ist. Vorbehaltloses Vertrauen in die Führung wird erwartet.
- Bei der Lehre handelt es sich um die "absolute Wahrheit", die nur mit den jeweiligen Methoden oder Technologien für Mitglieder erreichbar ist.
- In der Regel sind Sekten streng hierarchisch aufgebaut, die Struktur weist totalitäre Züge auf.
- Kritische Einwände, Informationen aus Medien oder Kritik von außen wird als Fehlinformation oder beabsichtigte Verleumdung bezeichnet. Nur die Gruppe weiß, wie man der Weltkatastrophe entgehen kann. Die Gruppe ist die Elite, die als einzige den Weg der Rettung kennt. Alle anderen Menschen sind verloren oder gelten als "Verräter".
- Als Mitglied der Gruppe werden sie aufgefordert, intensiv zu missionieren und andere Menschen anzuwerben.
- Oft gibt es besondere Insider-Symbole, Rituale wie eine "Einweihung", Ernährungsvorgaben, Kleiderordnungen oder eigene sprachliche Begriffe.
- Frühere Kontakte oder Beziehungen mit nicht "Eingeweihten" sollen abgebrochen werden, oft betrifft das auch die Familie oder sogar Besuche bei vertrauten Ärzten. Die Gruppe will die neue "Familie" sein.
- Es gibt Eingriffe in die Bedürfnisse in Bezug auf Schlaf, Ernährung oder Sexualität. Auch das Freizeitverhalten wird beschränkt, Hobbys oder Urlaub werden schlecht gemacht.
- Die Gruppe verlangt nach immer mehr Zeit, beispielsweise für Kurse, Anwerbungen oder sonstige interne Veranstaltungen. Alleinsein wird oft unterbunden.
- Stellt sich der gewünschte Erfolg, die Heilung, Erleuchtung oder die tiefere Selbsterkenntnis nicht ein, sind Mitglieder oft selber schuld, nicht stark genug im Glauben oder haben sich zu wenig eingesetzt.
Wie gehen sogenannte Sekten mit Zweiflern um?
Anfangs wird sich sehr bemüht, von Zweifeln abzulenken oder darauf hinzuweisen, dass der Weg erst begangen werden muss. Skepsis und kritisches Denken werden aktiv unterdrückt, oft wird der Druck auf das neue Mitglied erhöht. Sie, als Teil der Gruppe, werden ermutigt oder ermahnt, sich von äußeren Einflüssen zu isolieren und sich ausschließlich auf die Doktrin der Gemeinschaft zu konzentrieren.
Gibt es spezielle Rekrutierungsmethoden von sogenannten Sekten?
Oft werden täuschende Mittel zur Rekrutierung neuer Mitglieder verwendet. Organisierte Programme zur Gedankenreform oder eine gezielte Manipulation des neuen Mitglieds sind Bestandteil, ein Stresstest oder scheinbar psychologisch fundierte Fragemethoden sind Beispiele. Zeitgleich wird Druck ausgeübt, schnelle Entscheidungen zu treffen.
Wie verhalten sich sogenannte Sekten gegenüber Aussteigern?
"Sekten" drohen oft damit, dass Schreckliches passieren werde, wenn man die Gruppe verlässt. Aussteiger:innen werden meistens gemieden, sind Verräter:innen oder werden als Feind:innen betrachtet, es sei denn, sie bleiben in irgendeiner Weise nützlich für die "Sekte".
Gibt es finanzielle Anzeichen für eine problematische Sektenmitgliedschaft?
Ja, "Sekten" nutzen ihre Mitglieder oft finanziell aus. Sie erklären es mit unerklärlichen finanziellen Schwierigkeiten, bitten wiederholt um Darlehen oder äußern Forderungen nach mehr Spenden. Gebühren für angeblich zwingend notwendige Kurse und obligatorische Käufe kommen dazu.
Wie verändern sich Menschen, die einer sogenannten Sekte beitreten?
Mögliche Veränderungen werden beispielsweise laut eines Artikels auf swiss.info sichtbar im Kleidungsstil oder Aussehen des Betroffenen. Uncharakteristischer Drogen- oder Alkoholkonsum, Druck auf andere der Gruppe beizutreten, obsessive Fokussierung auf Verschwörungstheorien und Änderungen im Schlaf- oder Sexualverhalten kommen hinzu. Oft haben die Menschen ein reines schwarz-weißes Denken, sind überzeugt, zur Elite zu gehören und wollen nur noch Kontakte zur eigenen Gruppe haben. Finanzielle Schwierigkeiten tauchen ebenso auf. Es gibt aber viele Ausdrucksformen und nicht alle sind bedenklich.
Wie kann ich jemandem helfen, der möglicherweise in einer sogenannten Sekte ist?
Wenn möglich, sollte der Kontakt gehalten werden. Der Umgang sollte ruhig sein, Urteile sollten vermieden werden, offenes Zuhören stärkt die Beziehung. Professionelle Hilfe von einem Sektenexperten, einer -beratung oder spezialisierten Therapeuten kann unterstützen. Ausführlichere Informationen finden Sie auch in der Broschüre des Zentrums Ökumene.
Welche rechtlichen Schritte kann man gegen eine sogenannte Sekte unternehmen?
Es ist wichtig zu beachten, dass rechtliche Schritte gegen problematische Glaubensgemeinschaften oft komplex sind und sorgfältig abgewogen werden müssen, um die Religionsfreiheit nicht unangemessen einzuschränken. In vielen Fällen ist eine Kombination aus rechtlichen Schritten, Präventionsarbeit und Unterstützung für Aussteiger:innen am effektivsten.
Strafverfolgung
Bei Verdacht auf strafbare Handlungen können folgende Schritte eingeleitet werden: Strafanzeige bei den zuständigen Behörden wegen möglicher Straftaten wie sexueller Missbrauch, Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Nötigung oder Betrug. Ermittlungen durch spezialisierte Polizeieinheiten, insbesondere bei Verdacht auf organisierte kriminelle Strukturen. Weitere Informationen gibt es beim Bundesverfassungsgericht sowie beim Fachkreis »Sexualisierte Gewalt in organisierten und rituellen Gewaltstrukturen« beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Vereinsrechtliche Maßnahmen
In schwerwiegenden Fällen können staatliche Stellen eingreifen: Verbot der sogenannten Sekte als Verein nach Art. 9 Abs. 2 GG, wenn ihr Zweck oder ihre Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft oder sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet. Entzug des Körperschaftsstatus bei anerkannten Religionsgemeinschaften, falls die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind. Weitere Informationen gibt es hier.
Zivilrechtliche Schritte
Betroffene Personen können zivilrechtlich vorgehen: Klagen auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld bei erlittenen Schäden und Unterlassungsklagen gegen Verleumdungen oder Drohungen sind möglich.
Wie kann ich meine Kinder vor sogenannten "Sekten" schützen?
Ein vertrauensvolles Verhältnis ist ein guter Schutz. Folgende Hinweise für den Umgang können helfen. Die Bundesstelle für Sektenfragen in Wien bietet dazu online einige Informationen an.
Aufklärung und offene Kommunikation
- Zeit für Gespräche über Weltbilder, religiöse Vorstellungen und gesellschaftliche Werte führen.
- Wissen über die Gefahren und Methoden von Sekten weitergeben.
- Kritisches Denken erlauben und die Fähigkeit, zwischen Schein und Wirklichkeit zu unterscheiden, vermitteln.
Stärkung der Persönlichkeit
- Eine familiäre Umgebung mit verlässlichen Bezugspersonen schaffen
- Selbstvertrauen von Kindern stärken
- Emotionale Intelligenz und gesunde Beziehungen unterstützen
Soziale Integration
- Kinder zu vielfältigen sozialen Kontakten ermuntern
- Altersgerechte Aktivitäten außerhalb der Familie anbieten
Vorbild sein
- Vorleben, wie man selbstbestimmt und verantwortungsvoll lebt.
- Respekt für unterschiedliche Glaubensvorstellungen zeigen, ohne unkritisch zu sein.
Wachsamkeit und Information
Informiert sein über Merkmale von problematischen Gruppierungen.
Auf plötzliche Verhaltensänderungen oder ungewöhnliche Interessen von Kindern achten. Zögern Sie nicht, sich bei Verdacht oder Sorgen an Beratungsstellen oder Fachleute zu wenden. Mehr Informationen finden Sie auch hier.
Was sind die bekanntesten sogenannten Sekten in Deutschland?
Scientology ist eine der bekanntesten Psychogruppen weltweit. Sie wurde von Ron Hubbard begründet und ist bekannt für prominente Mitglieder wie Tom Cruise und kontroverse Praktiken. Sie steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Laut Statista hatte Scientology im Jahr 2023 etwa 3.600 Mitglieder in Deutschland.
Die Zeugen Jehovas sind eine der größten und bekanntesten Gruppen in Deutschland und sind Körperschaft des öffentlichen Rechts, sie gelten als eigene Glaubensgemeinschaft, sind aber als eine eigene christliche Sondergemeinschaft zu bezeichnen. Sie sind bekannt für Missionierung an öffentlichen Plätzen und Haustüren. Hier finden Sie weitere Informationen.
Die Zwölf Stämme sind eine christlich orientierte Gruppe, die in der Vergangenheit in Deutschland wegen umstrittener Erziehungsmethoden in den Schlagzeilen war.
Die Vereinigungskirche (Moon-Sekte) ist eine international bekannte Gruppe, die aber in Deutschland weniger präsent ist.
Shincheonji ist eine christliche Sekte aus Südkorea. Sie breitet sich in Deuschland aus, und wirbt vor allem Studierende an.
Eine Übersicht mit weiteren statistischen Angaben finden Sie hier. Sie sorgen sich, ob eine Gruppierung problematisch ist? Auf dieser Seite finden Sie die kirchlichen Ansprechpartner in den Ländern. Für weiterführende Informationen zu problematischen Gruppierungen schauen Sie in die spirituelle Apotheke.