TV-Tipp: "Wilsberg, Blinde Flecken"

Getty Images/iStockphoto/vicnt
13. April, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Wilsberg, Blinde Flecken"
In ihrem ersten Drehbuch für die Traditionsreihe hat Mariann Kaiser den ehrwürdigen Privatdetektiv aus Münster mit der Welt der Influencer konfrontiert. "Folge mir" (2023) war auch dank der Regie von Martin Enlen äußerst vergnügliche Kombination aus Komödie und Krimi. "Blinde Flecken" ist dagegen kaum lustig. Das ist natürlich völlig in Ordnung, aber der Film ist auch nicht spannend.

Regie führte Vivian Naefe, deren Filmografie eine Vielzahl sehenswerter und oft heiterer Produktionen enthält. Für "Einer geht noch" hat sie 2001 den Grimme-Preis bekommen, ihre "Wilden Hühner"-Verfilmungen (2006 bis 2009) waren eine Freude für Jung und alt, doch ihre vier Beiträge zur ZDF-Krimireihe "Das Quartett" (2019 bis 2022) hatten mitunter allzu deutliche Inszenierungsschwächen und waren auch darstellerisch nicht rundum überzeugend.

Das immerhin gilt für Naefes erste "Wilsberg"-Arbeit nicht. Außerdem erzählt Episode 81 der 1995 gestarteten Reihe eine Geschichte, die zunächst geschickt in die Irre führt: Ein Ehepaar streitet sich erbittert um das Sorgerecht für die vierzehnjährige Tochter. Weil Optiker Oldendorp (Nicholas Reinke) überzeugt ist, dass Gattin Natalie (Anja Knauer) eine Affäre mit dem familienpsychologischen Gutachter hat, um dessen Einschätzung zu beeinflussen, engagiert er Georg Wilsberg (Leonard Lansink). Kurz drauf wird der Gutachter wenige Minuten vor dem gemeinsamen Gerichtstermin erschossen, als er das Gebäude betreten will. Der Optiker neigt ohnehin dazu, leicht aus der Haut zu fahren, und als ihn dann auch noch eine Justizmitarbeiterin bei der Gegenüberstellung zweifelsfrei identifiziert, ist der Fall für Kommissarin Springer (Rita Russek) geklärt. Wilsberg hat zwar erhebliche Zweifel, aber an den Tatsachen ändert das erst mal nichts. 

Leider verrät Naefe schon gleich zu Beginn, dass die Skepsis des Privatdetektivs völlig berechtigt ist: Unmittelbar vor dem Schuss bückt sich Natalie, um ihr zu Boden gefallenes Telefon aufzuheben; selbst Menschen ohne nennenswerte Krimierfahrung ahnen daher, dass der Psychologe ein "Kollateralschaden" war. Wie die Frau ins Visier eines Verbrechers geraten konnte und welche Rolle dabei ihre Arbeit für ein Naturkundemuseum spielt, ist jedoch ziemlich verblüffend. Die Frage nach dem Drahtzieher beantwortet der Film jedoch ebenfalls recht bald, als Jan Henrik Stahlberg durchs Bild läuft. Wenn der Schauspieler in einem Krimi mitwirkt, verkörpert er regelmäßig zwielichtige Zeitgenossen, die mehr als bloß zu den üblichen Verdächtigen zählen. Selbst die in ihrer Kanzlei zur Leiterin der Abteilung für Steuergestaltung aufgestiegene Tessa (Patricia Meeden) bezeichnet ihren Mandanten als "skrupellosen Finanzhai". 

Der Titel "Blinde Flecken" bezieht sich auf das Wahrnehmungsexperiment "Gorillas in unserer Mitte", mit dem bewiesen werden konnte, wie unzuverlässig die Aufmerksamkeit selbst dann ist, wenn die Menschen hochkonzentriert sind. Als witziger kleiner Insider-Gag versteckt sich Wilsberg in einer Szene zwischen einer Gruppe von Männern, die mit einem Bollerwagen unterwegs sind und alle in Gorilla-Kostümen stecken. Dazu passt eine weitere Nebenebene: Der stets um eine Erweiterung seines Horizonts bemühte Kommissar Overbeck (Roland Jankowsky) hat mit Hilfe des Neuro-Linguistischen Programmierens (NLP) seine Wahrnehmung sensibilisiert. Zunächst ist das bloß lustig, als er Kriminalrat Schaaf (Rainer Laupichler) dabei helfen will, mit Hilfe der Ankertechnik das Reiz/Reaktions-Schema zu durchbrechen und seinen zwanghaften Ordnungstick in den Griff zu bekommen. Später trägt Overbecks NLP-Methode dazu bei, die Hintergründe des Mordes aufzuklären. 

Selbst wenn Wilsberg überzeugt ist, das größte Talent des ehrgeizigen Kommissars sei seine Neigung zur Selbstüberschätzung: Der Mann ist einfach immer wieder für Überraschungen gut. An seiner Rolle als Gag-Garant ändert das allerdings nichts; diesmal vernebelt ihm die Aussicht auf eine Beförderung die Sinne. Wie klug Kaiser ihren Krimi konzipiert hat, belegt auch die Museumsausstellung, an deren Vorbereitung Natalie mitwirkt: Sie trägt den Titel "Denken Fühlen Irren". Auch das passt selbstredend zu dieser Geschichte, in deren Verlauf es unter anderem zu einem unerwarteten Zwist zwischen den Freunden Georg und Ekki (Oliver Korittke) kommt: Wilsbergs alter Kumpel hat sich wieder mal in die falsche Frau verliebt. Dass sich Natalie mit finsteren Mächten eingelassen hat, führt schließlich zu einem potenziell packenden Finale, aber selbst jetzt sorgt allenfalls die Musik für eine gewisse Spannung.