Kritik an Bauern-Protest gegen Habeck - Aufrufe auch von Extremisten

Kritik an Bauern-Protest gegen Habeck - Aufrufe auch von Extremisten
Der Bauernverband distanziert sich von wütenden Demonstranten, die Vizekanzler Habeck am Verlassen einer Fähre gehindert haben. Das Kieler Innenministerium sieht Verbindungen zu Extremisten. Die Bundesregierung ruft zur Mäßigung auf.

Berlin, Flensburg (epd). Die Bundesregierung, zahlreiche Politiker und der Deutsche Bauernverband haben die Eskalation der Bauern-Proteste gegenüber Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verurteilt. Die Blockade der Ankunft Habecks im Fährhafen Schlüttsiel in Schleswig-Holstein sei beschämend und verstoße gegen die Regeln des demokratischen Miteinanders, schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit im Internetdienst X, vormals Twitter, in der Nacht zum Freitag. Das Kieler Innenministerium erklärte, zu den Protesten hätten auch Extremisten aufgerufen.

Habeck war am Donnerstagabend am Fährhafen Schlüttsiel in Schleswig-Holstein von einem Urlaub auf der Hallig Hooge zurückgekehrt. Wütende Bauern drohten, die Fähre zu stürmen. Das Schiff legte wieder ab, und Habeck kam Medienberichten zufolge erst in der Nacht mit einer anderen Fähre an. Der Minister erklärte am Freitag, er bedaure, „dass keine Gesprächssituation mit den Landwirten zustande kommen konnte“. Protest sei ein hohes Gut, betonte er: „Nötigung und Gewalt zerstören dieses Gut. In Worten wie in Taten sollten wir dem entgegentreten.“

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, distanzierte sich am Freitag von der Aktion. „Blockaden dieser Art sind ein No-Go“, erklärte er in Berlin. „Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht“, fügte er hinzu und betonte, bei allem Unmut respektiere der Bauernverband die Privatsphäre von Politikern.

Regierungssprecher Hebestreit sagte, der Vorfall zeige, „dass wir alle aufpassen müssen, dass die politischen Sitten nicht verrohen“. Er begrüßte die Distanzierung des Bauernverbandes. Die Polizei in Schleswig-Holstein hat ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Landfriedensbruch und Nötigung eingeleitet, wie die Polizeidirektion Flensburg dem Evangelischen Pressdienst (epd) mitteilte.

Der schleswig-holsteinischen Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) zufolge hat offenbar ein Eintrag im Telegram-Kanal „Freie Schleswig-Holsteiner“ zu der Eskalation beigetragen. Die vom Verfassungsschutz als staats- und demokratiefeindlich eingestufte Gruppe habe dazu aufgerufen, „mit allem zu kommen, was Räder hat“, erklärte die Ministerin in Kiel. Die Aktion an der Fähre habe die Einschätzung des Verfassungsschutzes bestätigt, wonach Rechtsextremisten und andere extremistische Gruppen politische Proteste für eigene Zwecke nutzten. Ziel sei es, „Anschluss in das vorwiegend demokratisch bürgerlich-konservative Spektrum zu erhalten“, sagte Sütterlin-Waack.

Mehrere Bundesminister äußerten sich empört über den Vorfall, ebenso Politiker der CDU. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sagte im „Morgenmagazin“ der ARD, den Menschen an der Fähre sei es nicht um die Landwirtschaft gegangen. „Die haben feuchte Träume von Umstürzen, und das wird es nicht geben“, sagte der Grünen-Politiker. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) äußerte sich bei X und erklärte, der Vorfall habe mit legitimem demokratischem Protest und harter politischer Auseinandersetzung nichts mehr zu tun.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) postete: „Dort, wo Worte durch Gepöbel und Argumente durch Gewalt ersetzt werden, ist eine demokratische Grenze überschritten.“ Der schleswig-holsteinische CDU-Bundestagesabgeordnete Johann Wadephul schrieb: „Ich bin an der Westküste aufgewachsen. Gerade raus ohne Blatt vor dem Mund - ja. Gewalt - nein.“

Hintergrund der Auseinandersetzung zwischen Landwirten und Bundesregierung sind inzwischen teilweise zurückgenommene Kürzungen von Agrar-Subventionen. Die Ampel-Koalition wollte die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer streichen und Agrardiesel teurer machen, um Einsparungen im Bundeshaushalt zu erzielen. Trotz des Teil-Rückziehers der Regierung wollen die Bauern an ihren für kommende Woche angekündigten Protesten festhalten.