Kardinal Becciu zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt

Kardinal Becciu zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt
Im Vatikanstaat ist ein historischer Prozess wegen Veruntreuung im Zusammenhang mit einer Londoner Luxusimmobilie zu Ende gegangen. Neun von zehn Angeklagten wurden schuldig gesprochen.

Rom (epd). Im Prozess um ein verlustreiches Immobiliengeschäft in London ist der ehemalige Kurienkardinal Angelo Becciu wegen Betrugs und Unterschlagung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Nach Angaben des Strafgerichtshofs des Vatikans vom Samstag wurde Becciu zusätzlich eine Geldstrafe von 8.000 Euro auferlegt. Die Anwälte des Kardinals kündigten an, gegen das Urteil Berufung einzulegen.

Die ausführliche Urteilsbegründung des Gerichts wird für die kommenden Wochen erwartet. Der 75-jährige Becciu ist der erste Kardinal der Kirchengeschichte, der in einem Strafprozess im Vatikanstaat verurteilt wurde. „Wir respektieren das Urteil, werden aber mit Sicherheit Berufung dagegen einlegen“, sagte Fabio Viglione, der Anwalt Beccius. Der Kardinal sei unschuldig. Der vatikanische Staatsanwalt Alessandro Diddi sagte der Zeitung „Corriere della Sera“, das Urteil bestätige „die von uns dargestellte illegale Verschwörung“. Den Prozess bezeichnet er als „beispiellos“ für den Vatikanstaat.

„Er wird sicherlich leiden, und wir sind jenen, die leiden, aus christlicher und menschlicher Sicht immer nahe“, sagte Kardinal Leonardo Sandri, Subdekan des Kardinalskollegiums, der Zeitung „La Repubblica“ über den verurteilten Becciu. Der Prozess hatte im Juli 2021 begonnen und erstreckte sich über 85 Verhandlungstage. Laut dem Urteil ist Becciu der Hauptverantwortliche für den verlustreichen Immobiliendeal in London. Der Sarde war von 2011 bis 2018, als das besagte Geschäft getätigt wurde, Substitut im Staatssekretariat, das ist dort die zweithöchste Position.

Mit dem Kardinal waren neun weitere Personen angeklagt. Bis auf einen ehemaligen Mitarbeiter des Staatssekretariats wurden alle Angeklagten für schuldig befunden, wenn auch nicht in allen Anklagepunkten. Gegen sieben der zehn Angeklagten, darunter Finanzberater des Vatikans, verhängte das Gericht in seinem erstinstanzlichen Urteil Haftstrafen von insgesamt 37 Jahren. Zwei einst leitende Mitarbeiter in der vatikanischen Finanzaufsichtsbehörde wurden jeweils zu Geldstrafen in Höhe von 1.750 Euro verurteilt. Sollten die Haftstrafen auch in letzter Instanz bestätigt werden, stellt sich auch eine praktische Frage: Der Vatikanstaat verfügt lediglich über zwei Gefängniszellen.

Zwischen 2014 und 2018 hatte das vatikanische Staatssekretariat eine Luxusimmobilie im Londoner Stadtteil Chelsea für einen dreistelligen Millionenbetrag als Anlageobjekt gekauft. Später wurde die Immobile mit hohen Verlusten wieder verkauft. Das Gericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass sich die in diesem Zusammenhang veruntreute Summe auf rund 200 Millionen US-Dollar beläuft.

Zu den Verurteilten zählt auch die sardische Managerin Cecilia Marogna. Sie hatte zwischen Dezember 2018 und Juli 2019 von Becciu mehr als 500.000 Euro erhalten, um diese zur Befreiung einer von Dschihadisten in Mali entführten Nonne einzusetzen. Die Bekannte des Kardinals soll das Geld aber für persönliche Ausgaben verwendet haben. Sie wurde zu drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Becciu soll außerdem mit Zahlungen des Staatssekretariats an Sozialorganisationen in seiner Heimat Sardinien Verwandte begünstigt haben.

Papst Franziskus äußerte sich bislang nicht zu dem Urteil. 2020, noch vor Beginn des Prozesses, hatte er Becciu aus seinen Ämtern entlassen. Dieser hatte daraufhin auf seine Kardinalsrechte verzichtet. Auf Anordnung von Franziskus ist das Staatssekretariat außerdem nicht mehr für die Geldanlagen des Vatikans zuständig. Um die Verwaltung von Vermögen und Immobilien kümmert sich nun die vatikanische Güterverwaltung Apsa.